Kategorie-Archiv: Allgemein

Der Winter der schwarzen Rosen

Der Winter der schwarzen Rosen von Nina BlazonNina Blazon
cbt: 544 Seiten
Erscheinungstermin: 5. Oktober 2015

Ich hatte es befrüchtet: Nina Blazon schreibt ein Buch und meine Welt steht Kopf. Schon bei ihrem letzten Fantasy-Roman „Der dunkle Kuss der Sterne“ ging es mir so. Ich konnte nicht schlafen, nicht essen. Das Lesen war wie ein schwindelerregender Tanz, von dem man nicht lassen kann. Bis die Musik abbricht und die Realität mit hochgezogenen Augenbrauen und einem kühlen Lächeln in der Tür steht. Auch diesmal tanzten die Seiten – wild und hemmungslos. Nur dass Blazons neues Werk „Der Winter der schwarzen Rosen“ noch länger benommen macht – so magisch ist der Rhythmus, so hypnotisierend, so sinnlich.

Auf meisterhafte Weise erzählt Sie die Geschichte zweier ungleicher Schwestern, deren Schicksal nicht nur durch Blutsbande verbunden ist, sondern auch von Rechtswegen her. Denn in dem rauen Lande ihrer Geburt herrschen die eisernen Gesetze der Lady. Diese bestimmen, dass die Zweitgeborene nur ihre Freiheit erlangt, wenn die Erste ihrer Bestimmung folgt und ihre Heimat verlässt. Doch was ist, wenn das vorbestimmte Ziel ein wilder, gefährlicher Ort ist – ein Ort an dem das Grauen wohnt? Was ist, wenn die sanfte, ruhige Schwester schreckliche Angst davor hat, ihre Sicherheit aufzugeben? Was ist, wenn sie sich immer weiter zurückzieht hinter die schützende Schwelle des väterlichen Hauses mitten im Rankenwald? Dann muss die eine, die nach Macht strebt und einen besonderen Weg gehen will, dafür sorgen, dass die andere ihren steinigen Weg gehen muss. Erst recht, wenn die Zweite in glühender Liebe zum Sohn der Lady entflammt. Und diese Liebe nur leben kann, wenn sie frei ist…

Ich weiß nicht, wie Nina Blazon es schafft, aber sie schafft es, sich von Buch zu Buch zu steigern. Schon immer liebe ich ihre phantastischen Romane. Doch hat sie sich eindeutig weiterentwickelt. Waren ihre früheren Werke wie „Faunblut“ und „Ascheherz“ kindlicher, leichter zu greifen, unschuldiger, mutet der „Der Winter der schwarzen Rosen“ anders an: erwachsen, dunkel, sinnlich und so vielschichtig und (mit Vorgängerwerken) verwoben, dass man eine gehörige Portion Aufmerksamkeit braucht, um den Wegen der Protagonistinnen Tajann und Liljann angemessen folgen zu können.

Hauptmotiv des Romans ist für mich allem voran die Liebe. Noch nie ist mir ein Roman von Nina Blazon untergekommen, der so sehr um die Liebe in allen ihren Facetten kreist, fast so, als hätte sie vorgehabt, einen Reigen auf die Liebe zu schreiben. So liest man von leidenschaftlicher Liebe, enttäuschter Liebe, sinnlicher Liebe, obsessiver Liebe, egoistischer Liebe, Geschwisterliebe, zerbrechlicher Liebe und unverwundbarer Liebe. Man liest von Liebe, für die es sich lohnt zu sterben und ebenso von einer Liebe so gefährlich wie ein scharfes Messer. Man lernt, dass Menschen manchmal sogar diejenigen verraten, die sie am meisten lieben und verfolgt verwundert, wie ein verschlossenes Herz, das denkt, es gebe die Liebe nicht, vor Glück aufblüht. Und nicht zuletzt zeigt sich immer wieder eins: Dass nichts so stark ist wie Hass, der aus Liebe geboren ist.

Aber keine Angst. „Der Winter der schwarzen Rose“ ist kein reiner Liebesroman. Die Protagonisten gehen dunkle, verschlungene Wege und fechten nicht nur im fulminanten Finale gefährliche Kämpfe – und auch auf die Magie ist bei Blazon wie immer Verlass: Der Leser begegnet auf den Seiten übermütigen Feen und traurigen Geistermädchen und muss sich gierigen Gestaltwandlern und mächtigen Seelenverschlingern stellen. Er durchstreift verwunschene Landstriche und geheimnisvolle Rankenwälder und lernt auf glühenden Scheiterhaufen, in atmenden Burgen und schaurigen Kerkern das Fürchten.

Magisch sind nicht zuletzt die unvergleichlichen, kraftvollen Bilder aus der Feder Nina Blazons, die die Phantasie so beflügeln, dass man sich fast körperlich jenseits des Rankenwaldes wähnt. So sind „Höhlen wie aufgerissene Münder mitten im Schrei erstarrt“ und Burgen, „wie ein scharfer Zahn aus dem Berg gewachsen“ nur wenige Beispiele für die Kreativität der Autorin. Die Krönung der Sinnlichkeit war für mich das wie mit feinen Pinselstrichen gezeichnete Bild der in der Dunkelheit silbrig schimmernden Liljann im seidigen Nachthemd inmitten wogender dunkler Hirsche – schaurige Romantik pur!

Kurzum, Nina Blazons Roman „Der Winter der schwarzen Rosen“ ist ein Rausch für die Sinne. Und gerade jetzt, wenn die Tage kürzer werden und langsam der Winter ins Land zieht, ist die perfekte Zeit, sich dieses magische Buch vorzunehmen.

Leseprobe: Nina Blazon – Der Winter der schwarzen Rosen

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Licht und Dunkelheit: Levarda

Levarda_grossKerstin Rachfahl
Format: Kindle Edition
Seitenzahl: 469 Seiten

Wer sucht, der findet, heißt ein verbreitetes geflügeltes Wort. Bei der Suche nach einem guten Buch ist dieser Vorsatz bei mir schon oftmals zu einer wahren Geduldsprobe geworden. Und wenn es sich dann auch noch um ein Fantasy-Buch handeln soll, war ich trotz großer Ausdauer nicht selten kurz davor zerknirscht aufzugeben.

Aber warum ist es so schwer, einen guten High-Fantasy-Roman zu finden? Einen Roman – zum Beispiel nach dem Format von Lynn Ravens „Kuss des Kjer“ – der einfach alles hat, um das (weibliche) Fanatasy-Herz höher schlagen zu lassen. Ganz einfach, weil das Gros der Romantasy-Romane, die auf den Markt geworfen werden, es an Tiefe vermissen lassen und das Schmachten allein nicht ausreicht, um den Anspruch zu erfüllen.

Denn ein Autor muss einiges mitbringen, um die Zeilen so mit Worten zu füllen, dass Welten erstehen – so intensiv und kraftvoll, dass man den Alltag vergisst und sich dem Abenteuer mit Haut und Haar verschreibt. Spannend muss so ein Buch sein, mit neuen Ideen überzeugen und Personen erschaffen, die atmen und so lebendig werden, dass sie sich von den Seiten lösen und im Kopfkino ein Eigenleben entwickeln. Und natürlich muss es knistern, denn nicht auf plumpe Sexszenen kommt es bei solch einem Buch an, sondern um das Davor und Danach, um das Mitfiebern und das sich Mitverlieben.

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Suchen hat sich letztendlich bezahlt gemacht: Denn „Licht und Dunkelheit: Levarda“ von Kerstin Rachfahl ist so ein Buch. Ganz unscheinbar kam es am Anfang daher, aber schon nach wenigen Seiten hat es bei mir eingeschlagen wie ein Komet, und die Gewissheit war da, dass die nächsten Tagen nichts anders zählen wird, als diese eine Geschichte.

Kurz hatte ich noch befürchtet, dass Levarda, die Heldin des Buches, mir zu schön, zu stark, zu perfekt, mir kurzum zu sehr „Alleskönnerin“ ist, um wirklich sympathisch zu sein, und das ist für mich Grundvoraussetzung dafür, dass ein Roman zu einem meiner Herzensbücher werden kann. Aber – so wie es den Figuren in Rachfahls Roman ging, so ging es mir dann auch: Im Handumdrehen hat sich Levarada in mein Herz gestohlen. Auch wenn sie kämpfen kann wie ein Krieger, eine begnadete Heilerin ist, sich als „Pferdeflüsterin“ hervortut, die Männer im Sturm erobert und nebenbei noch eins ist mit der Kraft der Elemente – so ist sie nicht überzeichnet, sondern bleibt trotzdem wunderbar sympathisch. (Und immerhin kann sich nicht tanzen:-)

Mit dieser Heldin macht der Leser sich auf, die Welt von Forran zu entdecken und eine Mission zu erfüllen, deren guter Ausgang lange Zeit auf Messers Schneide steht. An Spannung geizt dieser Roman nicht, genauso wenig wie an gut ausgearbeiteten Charakteren und an Tiefe. Und was schließlich noch den Ausschlag für mein Loblied gibt, ist Levardas Gegenspieler Lord Otis. Denn auch beim Zeichnen dieser Figur  hat Kerstin Rachfahl nicht mit Nuancen gespart, und einen absolut liebenswerten „Bösewicht“ aufs Papier gebracht.

Vom Inhalt selbst will ich nicht zu viel verraten, denn meiner Meinung nach ist eine Rezension nicht da, eine Geschichte nachzuerzählen, sondern ein Buch zu bewerten. Und hier kann ich getrost eine Leseempfehlung aussprechen. Seit Monaten hat mich kein Fanatasy-Roman mehr so begeistern können, wie Kerstin Rachfahls „Licht und Dunkelheit: Levarda“.

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Sag nicht, dass du Angst hast

Sag nicht dass du Angst hast von Giuseppe CatozzellaGiuseppe Catozzella
Verlag: Albrecht Knaus Verlag
Erscheinungstag: 18. August 2014
Seitenzahl der Printausgabe: 257

Wie muss es sich angefühlt haben, eine Geschichte aufzuschreiben, Wort für Wort, Zeile für Zeile, die so voller Hoffnung ist? Eine Geschichte, deren trauriges und unveränderliches Ende dennoch von Beginn an feststand.

Wie wird es sich anfühlen, die Geschichte des hoffnungsvollen Mädchens zu lesen? Mit dem Wissen, dass ihre Hoffnung dazu verurteilt ist zu sterben.

Wie muss sich für das hoffnungsvolle Mädchen wohl genau dieser Moment angefühlt haben? Die Sekunde, in der ihr bewusst wurde, dass alles umsonst gewesen ist. Als ihre Hoffnung auf ein besseres Leben schwand. Als sie langsam unterging. Und nichts zurückblieb. Nicht einmal sie selbst.

Die Geschichte „Sag nicht, dass du Angst hast“, von Giuseppe Catozzella führt unweigerlich dazu, dass sich der Leser Fragen stellt. Nicht nur jene, die ich gerade genannt habe. Noch viele weitere. Und das ist nicht verwunderlich.

Aus Sicht vieler Bewohner der „Feste Europas“, jenes sicheren, so verheißungsvollen Fleckchen Erde, sind die Dramen, die sich vor ihren Mauern abspielen, ein großes Fragezeichen. Zwar hören wir  in den Nachrichten von den vielen Glücklosen, die im Mittelmeer ihr Ende finden, kurz vor dem vermeintlich sicheren Hafen. Aber was wissen wir wirklich über diese Menschen? Was wissen wir über den Hintergrund ihrer Flucht? Was wissen wir über die Situation in ihren Heimatländern? Was wissen wir über ihre Ängste, ihr Strapazen, ihre Hoffnungen? Was wissen wir darüber, was sie alles riskiert haben für die Aussicht auf ein besseren Leben? Die Antwort ist kurz: Wenn überhaupt, wissen wir wenig, so gut wie nichts.

Und genau das will Guiseppe Catozzella mit seinem Roman „Sag nicht, dass du Angst hast“ ändern. Das Außerordentliche an dem Buch besteht darin, dass er die Flüchtlingsthematik nicht in einer Dokumentation aufarbeitet, die Fakten an Fakten reiht, sondern als Darstellungsform einen Roman gewählt hat: Einen Roman, erzählt aus der Ich-Perspektive. Damit schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe. Catozzella gibt den Lesern die Möglichkeit, sich mit der Geschichte zu identifizieren, sie nachzuempfinden. Er durchbricht die sichere Distanz, die Dokumentationen anhaftet und verzichtet auf den „gehobenen Zeigerfinger“, der sich in mach Sozialreportage zu nachdrücklich auf die Leser richtet. Und noch wichtiger: Mithilfe des Romans gibt Catozzella seiner Protagonistin Samia und allen anderen namenlosen Flüchtlingen ein Gesicht und eine Stimme.

In „Sag nicht, dass du Angst hast“ erzählt der italienische Journalist die Lebensgeschichte der jungen Somalierin Samia, die Zeit ihres Lebens gekämpft hat: Nämlich dafür, ihrer Bestimmung zu folgen und zu laufen. Als Samia 2008 bei den Olympischen Spielen angetreten ist, ging ihr Gesicht um die Welt. Denn was hätte sich besser geeignet, um die westlichen Gemüter anzurühren, als das Märchen von der kleinen Läuferin aus dem Krisenland, dünn wir ein Ast, die die Herzen im Sturm eroberte, als sie als letzte ins Ziel gelaufen kam. Samia hatte schon damals keine Chance zu gewinnen. Wie sollte sie auch – ohne professionelles Training, ohne Muskelmasse, ohne vernünftige Ernährung, ohne Perspektive. Und auch später, als es nicht nur um den Sieg bei einem Sportwettbewerb, sondern um ein besseres Leben ging, war sie so gut wie chancenlos. Dennoch wollte sie ihr Schicksal nicht hinnehmen. Die „kleine Kriegerin“ hat den weiten Weg auf sich genommen, um ihren Traum zu verwirklichen: Sie wollte laufen, sie wollte leben, frei von Zwängen, und hat letztlich dafür ihr Leben gegeben.

Eingangs habe ich gefragt, wie es sich wohl anfühlen würde, über sie zu lesen. Über das hoffnungsvolle Mädchen, dessen Träume am Schluss mit ihr selbst untergingen.

Insgesamt, so weiß ich heute, Tage nach Ende der Lektüre, war es seltsam bereichernd. Denn Samias Geschichte hat das geschafft, was die wenigsten vermögen: Sie arbeitet in mir nach, lässt mich nicht los. Ich erzähle viel über dieses Buch, denke immer wieder daran. Bin froh über die neue Perspektive, die ich gewonnen habe: Einen Blick auf das mir so fremde Somalia und dessen Menschen. Einen Blick auf deren Alltag, die ausgelassenen und fröhlichen Stunden, die immer weniger wurden. Einen Blick auf das so tapfere, Mädchen, das wahrlich den Beinamen „kleine Kriegerin“ verdient. Natürlich war die Lektüre auch traurig und aufwühlend. Vor allem das letzte Drittel des Romans, die monatelange Flucht, von einem Ort zum nächsten. Das ständige Warten. Die Enge. Die Verzweiflung. Das Schwinden der Hoffnung. Der Teil, in dem Samia sich nicht mehr als Mensch fühlte. In dem sie ihre Würde, ihre Rechte verlor, der Willkür der Schlepper völlig ausgeliefert war. Doch es war wichtig, auch diesen dunklen Teil gelesen zu haben, der dem Autor eine schriftstellerische Höchstleistung abverlangte. Denn er gibt Einblick in eine Realität, vor der wir die Augen nicht verschließen sollten.

Ich bin froh, dass Guiseppe Catozzella sich dafür entschieden hat die Geschichte von Samia Yusuf Omar zu recherchieren, auch wenn die Arbeit an diesem Roman sicherlich nicht einfach war. Sie hat sich mehr als gelohnt. Schon 2008 bei den Olympischen Spielen konnte das dünne, somalische Mädchen, das kein Mitleid wollte, die Menschen vor ihren Fernsehgeräten bezaubern. Und das tut sie wieder – in diesem Buch. Ihr kurzer Ausflug ins Blitzlichtgewitter konnte ihr Schicksal nicht ändern. Aber zumindest lenkt es – hier festgehalten – die Aufmerksamkeit auf jene Namenlosen, die noch immer Tag für Tag vor Europa stranden.

 

 

 

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Der Kuss des Wandlers

Der Kuss des WandlersLena Klassen
Format: Kindle Edition
Seitenzahl: 412 Seiten

Herzensprojekt – so hat Lena Klassen ihre neue Reihe „Die Wandler“ auf ihrem Blog bezeichnet – und damit meine Neugier geweckt. Wie könnte man auch nicht hellhörig werden, wenn eine durchaus produktive Schriftstellerin davon spricht, dass ihr ein Werk besonders am Herzen liegt.

Was macht es aus, dieses Herzensprojekt, habe ich mich gefragt und nicht lange gefackelt. Gespannt und mit nicht geringer Erwartung habe ich mich auf einen Streifzug durch „Der Kuss des Wandlers“ gemacht, den Auftaktroman der neuen vierbändigen Wandlerreihe.  Meine volle Aufmerksamkeit war dem Buch  gewiss. Denn ich wollte ihn spüren, den Puls der Geschichte.

Bevor ich zu den Einzelheiten meiner Spurensuche komme, sei eines vorweggenommen:“Der Kuss des Wandlers“ ist ein Wohlfühlbuch. Wohlfühlbuch deshalb, weil Lena Klassen auf genau die richtigen Zutaten gesetzt hat: Magie, Romantik und Spannung sind es, die zu gleichen Teilen den Roman ausmachen und wohldosiert genau an den richtigen Stellen ihre Wirkung entfalten.

Müsste man den Roman jedoch inhaltlich auf den Punkt bringen, dann kommt man nicht um den Begriff „Verwandlung“ herum. Denn allem voran ist die Geschichte um die junge Geigerin Kiara, die sich in ihren Erzfeid verliebt, die Geschichte einer Wandlung. Wandlung nicht nur deshalb, weil Kiara Kraft ihrer Geburt das Potenzial hat, in eine andere Gestalt zu schlüpfen – wie der Leser schon nach wenigen Seiten erfährt. Sondern weil sie sich im Laufe des Romans von der ewig durchschnittlichen grauen Maus „sprichwörtlich“ in einen Schmetterling verwandelt.

Doch dieser Weg ist steinig. Kiara wird zum Spielball in einem erbitterten Kampf, bei dem es um Leben um Tod geht und die Grenzen verwischen. Wer ist Freund? Wer ist Feind? Wem kann sie trauen? Und welche Augen sind es, die von Liebe erzählen? Ist es das strahlende lichte Blau, für das Kiaras Herz schlägt? Oder doch das nachtschwarze Dunkel, in dem sie sich zu verlieren scheint? Auf der Suche nach dem König des Feindesclans findet die 16-jährige nicht nur Abgründe und Hass, Zweifel und Gewissheit, sondern auch sich selbst.

Soviel zum Inhalt, von dem ich nicht mehr verraten werde. Doch wo pocht er nun, der Puls der Geschichte. Was macht die Kraft des Romans aus?

Ist es die eigentümliche Magie, die im Akt der Verwandlung selbst liegt? Denn was könnte schöner sein, als Kiara und all die anderen jungen Wandler dabei zu beobachten, wie sich die Grenzen ihrer Körpers auflösen, aufgehen in einem Sein, das jeher in ihnen geschlummert hat. Zuzuhören, wie sie einem stillen Ruf folgen, wie sie lernen, dem Takt ihres Herzens zu lauschen? Zuzusehen, wie Kinderträume wahr werden und Kiara abhebt und die Lüfte erobert?

Oder ist es das Grauen, das immer wieder wie Spinnenbeine über die nackte Haut huscht, wenn offenbar wird, welch menschliche Abgründe sich auftun können – in Freunden, in Vertrauten, in ganz gewöhnlichen Jugendlichen. Wenn deutlich wird, dass Moral und Unrechtsbewusstsein mit einem Fingerschnippen ihre Bedeutung verlieren, wenn der Wille zur Macht sich wie eine Krankheit ausbreitet und mehr wiegt, als ein Menschenleben. Wenn ein reiner Verdacht reicht, um aus dem Fenster geworfen zu werden …

Vielleicht ist es weder Magie noch Grauen, sondern die wunderbare Kulisse, vor der sich Kiaras Geschichte abspielt. Vielleicht ist es das faszinierende Prag, das Lena Klassen vor den Augen der Leser auferstehen lässt. Das Pulsieren der Metropole im Osten Europas. Denn wie bei den glühenden Streifzüge durch Budapest in Klassens Roman „Magyria“, hört man auch in Prag an jeder Ecke das Wispern der Geschichte, das Echo der Jahrhunderte, das Flüstern einer jungen Liebe …

Ob andere sich bei der Lektüre von „Der Kuss des Wandlers“ genauso wohl fühlen wie ich, ist nicht gewiss und lässt sich nicht abschließend beantworten. Genauso wie jeder den Puls einer Geschichte an einer anderen Stelle fühlt.

Für mich hat er zu schlagen begonnen, als ich Kafka in der Geschichte gespürt habe, einen Autor, der mich seit jeher fasziniert. Und als mir klar wurde, dass in der Selbstaufgabe und Selbstentfremdung Gregor Samsas der Schlüssel des Romans liegt. Die Frage ist nur, was hier zuerst da war. Die Idee, auf Kafkas Werk „Die Verwandlung“ einen Fantasie-Roman aufzubauen.  Oder die Idee von den Wandlern selbst.

Kafka hat es Zeit seines Lebens nicht geschafft aus seiner Haut zu schlüpfen und sich zu befreien. Genauso wie sein verwandelter Protagonist Gregor Samsa. Hier verlässt Klassen den vorgezeichneten Weg. Sie lässt ihren Protagonisten nicht untergehen. Gottseidank.

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And the winner is….

FireShot Screen Capture #002 - 'scriba I Blog für Leser und Schreiber' - www_scriba-ich-schreibe_deWie versprochen geben wir heute den glücklichen Gewinner unserer Buchverlosung zum Welttag des Buches bekannt. Bevor der Trommelwirbel lauter wird, bitte ich noch um eine Sekunde Geduld. Mir ist es ein Bedürfnis Folgendes los zu werden:

Gewinner seid ihr alle – weil ihr lest und euch von Poesie beflügeln lasst. Euere vielen Buchtipps haben mein Herz höher schlagen lassen – so viele Titel, so viel Herzblut, so viele Buchstaben, die ihr aufgesogen habt und deren Erkundung uns noch bevorsteht.

Ich danke euch vielmals für eure Zeilen – vielleicht findet der ein oder andere hier nun auch ein neues Herzensbuch. Coco Lavie – Spiegelblut ist so eins, das kann ich euch versprechen.

Und noch eins will ich euch verraten: Wie der Zufall so will, habe ich in dieser Woche ein Buch gefunden, das nach monatelangem Darben mein Buchunglück beendet hat. Beim Lesen sind die Funken geflogen und die aufgeregten Schmetterlingsflügel kribbeln noch immer in meinem Bauch. Ich werde in Kürze eine Rezension verfassen, um mein Buchglück mit jeder Zeile laut herauszuschreien und es mit euch zu teilen.

So, nun darf der Trommelwirbel endlich anschwellen:

Die scriba-Gewinnerin zum Welttag des Buches ist: Celle Bookcrate

Herzlichen Glückwünsch!

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Blogger schenken Lesefreude: Unsere Buchverlosung

Blogger_Lesefreude_2014_LogoEs ist wieder soweit:
Der Tag der Tage für alle Bibilophilen, Buchsüchtigen und Literaturnarren zieht ins Lande: Der Tag, der einer der großartigsten Errungenschaften der Menscheit gewidmet ist – der Welttag des Buches!

Wie im vergangenen Jahr ist es uns eine Ehre am 23. April an der Aktion der Buchblogger teilzunehmen. Denn Ende April zählt nur eins: euch buchglücklich zu machen.

Buchglücklich sind wir schon seit jeher. Seit wir denken können, atmen wir Geschichten, sind buchtrunken und geschichtenverliebt, romanhungrig und wortsüchtig- und können uns ein Leben an der Seite unserer Helden nicht mehr vorstellen.

Coco Lavie – Spiegelblut von Uta Maier

spiegelblutDoch wie überall im Leben gilt es auch bei Büchern die Spreu vom Weizen zu trennen. Selbstverständlich verlosen wir hier bei scriba ein wahren Kleinod unter der Abertausend Schmökern dieser Welt: Coco -Lavie – Spiegelblut von Uta Maier gehört zu den wenigen seiner Art, die uns im letzten Jahr vollends überzeugen konnten und wir warten immer noch sehnlichst auf die Fortsetzung, die in Kürze erscheinen soll.

Wenn ihr eine Affinität habt für fantastische Abenteuer und euch auf eine sinnesberauschende Reise begeben wollt, dann wird euch Uta Maier verführen. Denn in Coco Lavie lernt ihr nicht nur den Gesang von Farben und den Geschmack von Zorn und Kummer kennen – sondern auch den Duft von Liebe! In unserer Rezension zu Coco-Lavie – Spiegelblut könnt ihr euch ein erstes Bild machen. Oder ihr lest einfach unser Interview mit der außergewöhnlichen Autorin Uta Maier.

Uns so funktioniert unsere Verlosung:
Zwischen dem 23. und 30. April könnt ihr an unserer Buchverlosung teilnehmen, indem ihr diesen Blogbeitrag kommentiert und folgendes mit uns teilt: Euer Lieblingsbuch – das Buch, das euch buchglücklich gemacht hat. Diese Aufgabe ist nicht ganz uneigennützig: Denn wir sind seit Monaten buchunglücklich und auf verzweifelter Suche nach einem literarische  Kleinod. Mit eurer Teilnahme tut ihr also auch was Gutes – denn womöglich heben wir unter euren Kommentaren den lang ersehnten Bücherschatz.

Am 1. Mai werde ich dann hier bekanntgeben, wem das Buchglück gewunken hat! Selbstverständlich wird der Gewinner zuvor per Mail benachrichtigt.

Bis dahin halten wir es wie gewohnt wie Maxim Gorki: „Je mehr ich las, umso näher brachten die Bücher mir die Welt, um so heller und bedeutsamer wurde für mich das Leben.“

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Buch-Glück: literarisches Kleinod verzweifelt gesucht

Ich fühle mich ausgehungert, matt, ja man könnte sagen lethargisch. Tag für Tag  – seit ganzen zwei Monaten bereits! – friste ich ein Leben ohne jegliche Infektion: Kein Buch, kein Roman – ja, nicht mal wenige Zeilen und Wörter vermögen es mich zu infizieren und zu packen, mich aus dem Alltag zu reißen und zu berühren, meine Euphorie für das geschriebene Wort anzustacheln. Das ist bedauerlich für mich als Leser. Genauso bedauerlich ist es jedoch für mich als Rezensentin. Denn – wie aufmerksame Besucher dieses Blogs vernehmen können – bespreche ich nur jene Bücher, die sich in dem undurchdringlichen Dickicht der Veröffentlichungen als Leuchtfeuer entpuppen und deren Lektüre ich geneigten Lesern besten Gewissens empfehlen kann.

Wanted: Jene einzigarigen Bilder, die noch lange im Kopf funkeln
Seit mehr als 8 Wochen blieb mir nun jenes wispernde Versprechen verwehrt, dass sich gewöhnlich nach den ersten Zeilen eines guten Romans ankündigt und wenig später zur Gewissheit wird: Das Versprechen, ein Perle gefunden zu haben, deren Stoff es schafft, mich in Hochgefühl zu versetzten und mir diese einzigartigen Bilder schenkt, die noch lange später in meinen Kopf funkeln – die Nahrung für jeden Bibliophilen.

Ja, ich zähle zu dieser Art: Seit jeher bin ich buchtrunken und geschichtenverliebt, romanhungrig und wortsüchtig, kaufe Bücher, streichle Bücher, verschlinge Bücher und musste mir eines eingestehen: Ich weise Anzeichen einer Sucht auf: der Bibliomanie.

Auf der Jagd nach Wortakrobaten und Buch-Gold
Allerdings bin ich nicht büchersüchtig im herkömmlichen Sinn: Mir geht es nicht darum Bücher einfach nur des Buches willen anzuhäufen, mir geht es nicht darum, einen Schatz anzusammeln. Ich bin dagegen gleichermaßen auf der Jagd nach unvergesslichen Geschichten sowie nach Wortakrobaten, deren Sprachgewalt und Erzählkunst verzaubert.

Diese Geschichten müssen nicht hochtrabend oder weltberühmt sein – nein. Der Autor muss nicht die Ambitionen haben, ein neuer Goethe zu werden. Im Gegenteil. Ich liebe Bücher, in denen sich die Urheber der Phantasie und ihren Protagonisten zuliebe nicht in den Vordergrund drängen, in denen sie zwar präsent, aber nicht dominierend sind. Ich liebe Fantasy-Geschichten, Jugendbücher, Historienromane, Geschichten, die berühren oder einfach nur Kraft ihrer Worte den Alltag in bunten Farben erstrahlen zu lassen.

Wo bleibt die Qualität auf dem deutschen E-Book-Markt?
Aber wo seid ihr????? Wo sind die Bücher, die es sich lohnt, zu lesen, über die es sich lohnt, zu schreiben. Wo sind Bücher mit Tiefe, mit einer besonderen Portion Humor, jene Bücher, die mein Fantasy-Herz höher schlagen lassen oder die von Liebe erzählen – aber nicht auf diese plumpe, triviale Art.  Denn seit geraumer Zeit beobachte ich eins: Es häufen sich solche Exemplare, in denen Interpunktions- und Orthografiefehler wie lästige Fliegen über sie Seiten staksen. Die Kindle-Bestseller muten an, als seien sie binnen vier Wochen auf Papier gebracht bzw. in den Computer gehackt worden. Aber nicht nur das: In den TOP-100 tummeln sich so viele selbst-publizierte  erotische Liebesromane , dass man den Verdacht hegt, in Deutschland bestehe eine überproportional große Nachfrage nach Büchern, die rein aus einer Aneinanderreihung von detailgetreu beschriebenen Liebesakten bestehen. Da bleibt oft nur noch das Jugendbuch, um dieser „Sex-Tümelei“ zu  entfliehen.  Um anderen Self-Publishern, deren Bücher sich als wahre Kleinode entpuppen, nicht den Garaus zu machen, ist es wichtig, dass eine gewisse Qualität gesichert bleibt auf dem deutschen E-Book-Markt.

Die Hoffnung auf Buch-Glück stirbt zuletzt
So dass Leser und Rezensentin wie ich nicht verzweifeln bei ihrer Suche nach einem guten Buch! Doch ich gebe die Hoffnung nicht auf. Irgendwo sind die Wörter bereits geschrieben, die es schaffen, mich „buch-glücklich“ zu machen. Und irgendwann werde ich in einer Rezension wieder von diesem Glück berichten und es mit geneigten Lesern teilen können.

 

 

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Homunkulus von Horus W. Odenthal

Homunkulus-Horus-rein_webHorus W. Odenthal, der Autor der Fantasyreihe „Ninragon“ ist kein Unbekannter bei scriba. 2013 haben wir uns an seiner Blog-Tour beteiligt und den Schriftsteller im Interview gelöchert, wie man eigentlich einen Fantasy-Roman schreibt. Er hat nun ein neues Buch veröffentlicht, „Homunkulus“, und veranstaltet im Zuge dessen eine Sonderpreisaktion für das gleichnamige eBook. Horus W. Odentahl hat uns gebeten, darüber zu berichten. Das machen wir doch gerne:

„Homunkulus2 von Horus W. Odenthal ist jetzt, als erster seiner Romane, nicht nur als eBook, sondern auch als Print-Buch erhältlich. Nach und nach sollen auch die anderen Romane aus der NINRAGON-Reihe gedruckt erscheinen. Das geschieht auch auf vielfachen Wunsch von Lesern, die (noch) nicht so gerne eBooks lesen bzw. keinen Reader besitzen.

Aus diesem Anlass gibt es eine Sonderpreisaktion zu diesem Roman. Das eBook von „Homunkulus“ ist für kurze Zeit – vom 7. – 13. Februar 2014 – für 0,99 € statt 3,99 € erhältlich.

Link zum eBook
Link zur Printversion

Fantasy trifft Thriller in diesem Einzelband aus der NINRAGON-Reihe, der fünf Jahre nach dem Ende der NINRAGON-Trilogie spielt. Er bietet einen idealen Anfang für Neueinsteiger. „Ninragon“ von Horus W. Odenthal wurde zweifach für den Deutschen Phantastik Preis 2013 nomminert, in den Sparten „Bestes deutschsprachiges Romandebüt“ und „Beste Serie“.

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scriba im Gespräch mit Uta Maier

Spiegelblut, Spiegelseele, Engelskind: alles unterschiedliche Bezeichnungen ein und desselben Phänomens. Und dieses Phänomen ist Coco Lavie, Protagonistin in Uta Maiers gleichnamigen Roman-Neuling. Ein Buch, das überrascht und begeistert mit seiner geheimnisvollen und unerwartet komplexen Fantasy-Welt. Für scriba das Lese-Highlight des Herbstes. Im Interview verrät uns die Autorin mehr über sich und ihr zweiteiliges Werk.

Uta Maier
Uta Maier

scriba: Coco Lavie – Spiegelblut“ ist bisher ausschließlich als E-book durch den Aeternica Verlag veröffentlicht worden. Ist eine Printversion geplant? Wenn nicht, warum hast du dich für diesen eher ungewöhnlichen Weg entschieden?

Uta Maier: Die Printversion ist mittlerweile erschienen. Mir war es wichtig, dass man das Buch auch als Printausgabe bekommen kann, denn es gibt immer noch Kindle-Verweigerer. Obwohl Aeternica sich hauptsächlich auf E-Books spezialisiert hat, bietet der Verleger, Michael Till-Lambrecht, einigen Autoren auch die Möglichkeit einer Printausgabe an. Wie das im Einzelfall gehandhabt wird, hängt allerdings auch vom Autor ab. Mein wichtigstes Kriterium an die Printausgabe war der Preis. Die Printausgabe sollte nicht zu teuer sein.

scriba: Die Vampir-Thematik ist nicht neu. Ungewöhnlich ist jedoch die ausgefeilte Fantasy-Welt, die du in Coco Lavie erschaffen hast. Der Leser bestaunt und erlebt einen eigenen bis aufs Kleinste ausgearbeiteten Kosmos, bei dem es sich durchaus empfiehlt, aufmerksam zu lesen, um die Zusammenhänge zu verstehen. Wie ist diese komplexe Welt entstanden? Hast du im Vorfeld lange recherchiert und sie beim Schreiben nach und nach ausgearbeitet? Was war die zündende Idee?

Uta Maier: Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass die Welt, die ich gestrickt habe, sehr komplex ist. Das ergab sich einfach beim Schreiben, außerdem wollte ich es irgendwie schaffen, Engel und Vampire logisch zu verknüpfen. Dafür waren eben viele Ausfeilungen nötig. Meine größte Befürchtung war anschließend, dass die Leser diese Welt nicht verstehen und daher der Geschichte nicht folgen können. An dieser Stelle muss ich meinen vier Testlesern noch einmal danken. Anhand ihrer Reaktionen habe ich gesehen, wo es zu viel des Guten war. Eine zündende Idee als solche gab es nicht.

scriba: Auch die Figuren in deiner Geschichte sind durchweg ausgefeilt und bunt, ob das jetzt Coco oder die einzelnen Vampire wie Pontus, Damontez oder Remo sind. Legst du bestimmte Charaktereigenschaften von Beginn an fest oder verselbständigen sich die Charaktere beim Schreiben?

Uta Maier: Das fragt man Autoren im Allgemeinen gerne. Und ich würde wirklich gerne außergewöhnlich darauf antworten, aber ich denke, es ist bei mir ähnlich wie bei meinen Kollegen. Manches ist von vornherein festgelegt, manches ergibt sich. Coco zum Beispiel machte mir überhaupt keine Probleme. Ihr Charakter war sofort klar, auch ihre Art zu handeln. Vieles ergab sich auch aufgrund ihrer Vergangenheit. Auch Pontus, der sehnsuchtsvolle und vom ewigen Leben geplagte Vampir, hat sich mir relativ schnell erschlossen. Vielleicht waren diese beiden Figuren auch deshalb so klar, weil sie jeweils eine eigene Perspektive haben, so habe ich das, was eventuell noch fehlte, schnell zwischen den Zeilen gefunden. Damontez war die schwierigste Figur in diesem Buch, vielleicht gerade deswegen, weil er keine eigene Erzählperspektive hat. Das habe ich aber bewusst so gewählt, denn so bleibt er geheimnisvoll, man erfährt nicht, was er denkt, und erlebt ihn nur aus Cocos Sicht. Auf alle Fälle wollte ich das Klischee des netten Vampirs von nebenan vermeiden. Die Seelenbeziehung von Remo und Damontez war die nächste Herausforderung. In Teil II wird Remo eine bedeutendere Rolle bekommen und mit ihm erfährt man gleich auch wieder etwas über seinen Seelenbruder Damontez. Sie sind für mich im Grunde nur als Einheit zu begreifen, was es für mich anfangs vielleicht auch so schwierig gemacht hat, die Figur des Damontez in Teil I zu verstehen.

spiegelblutscriba: In diesem Zusammenhang ist auch interessant: Hast du einen „Lieblingsvampir“ unter deinen Figuren?

Uta Maier: Ganz schwierige Frage! Anfangs war es sicherlich Pontus. Ich mag seine Art zu leiden und sich zu sehnen. Letztendlich wurde er aber irgendwann von Damontez überholt. Den Zeitpunkt, wann das passiert ist, weiß ich jedoch nicht mehr.

scriba: Coco Lavie ist im September erscheinen. Wie ist das Feedback der Leser?

Uta Maier: Eigentlich durchweg positiv. Ich kann es aber fast nur anhand von Rezensionen bei Amazon beurteilen, und die sind bislang gut. Natürlich wurde Coco das Stockholmsyndrom unterstellt, aber wenn man genau liest und sich auf Damontez und Coco einlässt, sollte man wissen, dass dem nicht so ist.

scriba: Coco Lavie ist nicht dein Debütroman, sondern du hast davor schon mehrere Bücher veröffentlicht. Was ist deiner Meinung nach die größte Herausforderung beim Schreiben eines Romans? Oder anders gesagt: Ist jedes Buch eine gleich große Herausforderung? Fällt dir das Schreiben mit wachsender Erfahrung immer leichter?

Uta Maier: Das Schreiben an sich wird definitiv leichter. Heute muss ich mir kaum noch Gedanken über Formulierungen machen und kann relativ schnell auch schwierige Szenen schreiben. Da meine Bücher immer sehr komplex sind, ist es jedes Mal eine der größten Herausforderungen, das Thema trotzdem verständlich an den Leser zu bringen. Jedes Buch hat natürlich andere Knackpunkte. Bei „Coco Lavie – Spiegelblut“ war es Damontez und seine Seelenbeziehung zu Remo, und natürlich das Thema der Seelentrennung an sich. Wenn etwas schon so wenig definierbar ist wie die Seele, ist es schwierig, Konkretes darüber zu schreiben, ohne dass es unglaubwürdig wirkt.
Ich merke mittlerweile auch, dass es mir zunehmend leichter fällt, die Geschichte sich selbst erzählen zu lassen. Ich brauche eine Grundidee und ein paar Fakten, den Schluss und natürlich ein oder zwei Hauptfiguren. Die Inspiration kommt beim Schreiben. Da bewirkt das Unterbewusstsein ganz viel. Die besten Ideen, solche bei denen man auf die Knie fallen möchte oder einfach das Fenster aufreißen will, um es hinauszuschreien, entstehen bei mir nur im Fluss. Allerdings muss ich gestehen, dass das Drei-Akt-Modell und Papyrus Autor, zusätzlich zum Unterbewusstsein, nennenswerte Hilfen sind.

scriba: Was für ein Schreibtyp bist du? Eher der intuitive Schreiber oder folgst du einem genauen Plan?

Uta Maier: Oh … da habe ich eben wohl vorgegriffen. Um es auf den Punkt zu bringen. Ich brauche beides. Intuition und Plan. Wobei der Plan nicht zu straff sein darf, denn sonst macht es keinen Spaß. Ich brauche die Figuren, den Konflikt, das Thema und vor allem das Ende. Was wie und wann passiert, entscheide ich meist nur grob, der Rest ergibt sich spontan beim Schreiben. Es muss nur auf das Ende hinarbeiten. Wenn jemand intuitiv schreibt, hält er das Drei-Akt-Modell oder die Heldenreise sowieso ein. Denn die ersten Geschichten dieser Erde entstanden auch ohne diese Schablonen und ganz sicher würde man diese Grundmuster auch in denen finden. Das hat wohl irgendwie mit den Archetypen zu tun, also den menschlichen Urbildern und Vorstellungen, die uns allen gemein sind, aber genau kann ich es auch nicht erklären, da müsste man wohl einen Psychologen fragen. Aber wer sich auf seine Intuition verlässt, liegt meist richtig.

scriba: Nehmen wir mal an, die Coco-Lavie-Reihe würde verfilmt: Wer sollten dann die Hauptdarsteller sein?

Uta Maier: Ich habe so lange gewartet, dass mich das jemand zu den Hauptfiguren von „Triklin“ fragt. Da hätte ich nämlich schon die komplette Besetzung parat. Für Coco Lavie könnte ich nur Damontez benennen: Ben Barnes – aber bitte nur mit langen Haaren!

scriba: Wie lange hast du an der Geschichte um Coco Lavie geschrieben? Gab es auch zähe Schreib-Episoden und gestrichene Szenen?

Uta Maier: Um ehrlich zu sein, habe ich für Coco Lavie zwei Manuskripte mit jeweils 400 Seiten wieder verworfen (was hauptsächlich Damontez‘ Schuld war, denn er war anfangs zu schnell zu nett). Deshalb hat es auch zwei Jahre gedauert, von denen man aber fast eineinhalb abziehen kann. Außerdem hatte ich zwischendurch auch einige Lektorate, sodass ich nie so zum Schreiben kam, wie ich wollte. Das Manuskript, so wie es jetzt ist, entstand dann relativ schnell. Ich glaube, die letzten 120 Seiten habe ich in zwei Wochen geschrieben. Allerdings bedurften die hinterher auch einer gründlichen Überarbeitung. Aber von der allerersten Idee bis zur Veröffentlichung waren es sicher zwei Jahre. Mein Problem war das Ende von Teil I. Ich hatte nur das Ende von Teil II im Kopf. Das war etwas schwierig, denn im Grunde ist es kein wirklicher Zweiteiler, ich habe die Geschichte künstlich unterbrochen.

scriba: Wo holst du dir die Motivation zum Durchhalten bei der langen und doch von der Außenwelt isolierenden Schreib-Phase eines Buchprojekts?

Uta Maier: Ich liebe das Isolieren eigentlich. An kaum einem Ort bin ich so entspannt wie vor meinem Laptop. Hier ruhe ich in mir selbst. Motivation hole ich mir wie Coco aus der Musik. Dabei höre ich auch wirklich alles. Klassik und Mainstream.

scriba: Am Ende des Romans findet der Leser eine Anzahl von Literaturtipps. Wir sind neugierig: Welches Buch hat dich 2013 am meisten beeindruckt?

Uta Maier: Ganz ehrlich? Es war das Kinderbuch „Ente, Tod und Tulpe“ von Wolf Erlbruch.

scriba: Zu guter Letzt die Frage, die viele Leser brennend interessieren dürfte: Wann erscheint „Coco Lavie – Nachtschattenherz“? Auf deiner Homepage steht, der 2. Teil ist bereits im Lektorat …

Uta Maier: Im Lektorat ist es noch nicht, aber auf dem Weg dorthin. Momentan liegt es bei meinem Verleger mehr oder weniger brach, aber dieses Wochenende wollte er es sich anschauen. Wenn er sein Okay gibt, geht es ins Lektorat. Daher kann ich leider kein konkretes Datum nennen. Ich hoffe natürlich, dass es so bald wie möglich ist.

Die gesamte scriba-Redaktion dankt Uta Maier herzlich für das interessante Interview! Hier könnt ihr die Rezension zu „Coco Lavie – Spiegelblut“, dem Auftaktroman des Zweiteilers, lesen.

 

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Coco Lavie – Spiegelblut

spiegelblutUta Maier
Format: Kindle Edition
Erscheinungstermin: 9. September 2013
Seitenzahl: 325 Seiten
Verlag: Aeternica Verlag

Kennst Du den Gesang von Farben? Den Geschmack von Zorn und Kummer? Weißt Du, welche Düfte Wörter haben? Hast Du jemals gefühlt, wie weich Freundschaft auf den Fingern kribbelt?

Was unsereins befremdlich, exotisch, gar übersinnlich anmutet, und noch am ehesten an die Fähigkeiten eines Synästhetikers erinnert, bestimmt seit Kindesalter Coco Lavies Leben – eines 18-jährigen elternlosen Mädchens im großen Glasgow. In früher Jugend auf blutigster Weise ihres Seelenbruders – ihres Zwillings – beraubt, führt die einsame Seele eine Kampf. Sie kämpft gegen die Dämonen der Erinnerung, kämpft für einen Neuanfang und vor allem kämpft sie dafür, sich endlich selbst zu verstehen, ihre Andersartigkeit zu begreifen und damit die Erinnerungslücken und die Fragezeichen der Vergangenheit zu füllen. Doch Coco Lavies Spurensuche bleibt nicht unbemerkt. In einer Welt von Vampiren, Engeln und Lichtträgern, von deren Existenz Coco weiß oder zumindest ahnt, ist bereits das zarte Summen ihrer Seele verräterisch. Noch verpuppt gleich einer Raupe, kann sie verstecken, was sie zu sein scheint: Ein Spiegelblut, eine Spiegelseele, ein Engelskind, eine Auserwählte, die zwischen Himmel und Erde reisen kann. Kurzum: die größte Waffe der grausamen Seelenlosen, die letzte Hoffnung eines Halbseelenträgers. Coco bleibt in dieser Situation nur eins: zu beten, dass sie die Schwingen ihrer schmetterlingsbunten Seele so lange wie möglich bändigen, ihr „über-sinnliches Blut“ – Aliquid Sanctuum –  schützen kann. Denn sollte sie ein Spiegelblut sein, dann ist ihr Schicksal besiegelt: Dann gehört sie den Dämonen.

Übersinnlich – so denke ich gerade – ist ein schönes Wort, ein passendes Wort, ein Wort wie geschaffen für Coco Lavie, für Uta Maiers Roman überhaupt, für die wunderbare Art der Autorin zu erzählen.

Übersinnlich deshalb, weil Coco Lavies Art, die Welt und ihr Gegenüber zu begreifen, zu erfühlen, zu ertasten, jenseits der herkömmlichen Sinneswahrnehmung ist. Coco nimmt den Leser mit auf eine sinnesberauschende Reise: Mit ihren Augen sieht man mehrdimensional, erlebt ein Feuerwerk an Reizen, ohne überreizt zu sein, lauscht einer nie gehörten Melodie aus singenden, manchmal klirrenden Worten, erschrickt ob des Gewichts der Stille, kann Farben blind erfühlen. Man ist berührt vom Duft nach Mondwind und Silberschnee, der von Liebe erzählt, überrascht vom Geschmack des Himmels und vom Odeur des Todes. Mit Coco Lavie ist man spiegelsichtig und erfasst die Seele der Dinge.

Damit soll jedoch kein falscher Eindruck erweckt werden: Uta Maiers Roman ist kein zartes sensibles Märchen, sondern klassische – in diesem Fall kann man wohl sagen „sinnliche“- Fantasy. Die Autorin schafft einen eigenen übersinnlichen Kosmos, der all jene begeistern wird, die sich wirklich auf Fantasy-Abenteuer einlassen und vor allem auch hineindenken wollen. Nicht verwechseln sollte man das Buch mit den bittersüßen, retortenhaften Vampir- und Engelsgeschichten, die in den vergangenen Jahren wie bis zur Übersäuerung konsumiert wurden. In „Coco Lavie – Spiegelblut“ findet man keine weichen und zartbesaiteten Bösewichter. Die Welt von Damontez Aspertu, dem Halbseelenträger, Pontus, dem Unsterblichen, und Luzifer, dem ersten gefallenen Engel, ist genauso hart, kalt und grausam wie deren leblose Körper. Gleichwohl verlangt der Roman dem Leser durchaus Aufmerksamkeit ab, ohne zu überfordern, so fein und hintergründung ist er komponiert. Und genau diese Mischung ist es, die meiner Meinung nach das Außergewöhnliche an der Geschichte um Coco Lavie ist. Ohne zu viel über den Inhalt verraten zu wollen, kann ich eins versprechen: Die komplexe, vielschichtige Welt, die die Autorin geschaffen hat und die ihresgleichen sucht, ist nicht nur dunkel, tief, spannungsgeladen und unvorhersehbar, sie ist dort sanft, wo man das Gegenteil vermutet.

Oder, um es mit den Worten Jochen Mariss‘ zu sagen, dessen Zitat man am Eingang des 10. Kapitel liest: „Nichts macht uns mehr Mut, nichts gibt uns mehr Nähe, nichts hat einen stärkeren Zauber als eine sanfte Berührung“: Die dunkelbunte, lichtlose Welt von Damontez Aspertu und seinem Nachtschattenherz, die wie Finsternis ohne Hoffnung erscheint, hat mich wider Erwarten verzaubert und nicht mehr losgelassen. Sie hat sich direkt in meine Seele gesungen!

Ich warte ungeduldig auf die Fortsetzung: Coco Lavie – Nachtschattenherz!

Mehr über Uta Maier und ihrer Fanatsy-Reihe um Coco erfahrt ihr im scriba-Interview.

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