Kategorie-Archiv: Historie

Im Land des Feuervogels

Im Land des FeuervogelsSusanna Kearsley
Kartoniert
: 544 Seiten
Erscheinungstermin: 13.08.2013
ISBN: 978-3-492-30285-2
Verlag: Piper

Die Welt der Märchen haben mich seit jeher fasziniert. Waren es in Kindertagen noch die gesammelten Hausmärchen der Brüder Grimm, die mich immer wieder von neuem bezaubern konnten, waren es später oftmals phantastische Romane. Oder Geschichten, die die Grundidee eines Märchen aufnehmen, jedoch für die Ohren von Erwachsenen erzählt werden.

„Im Land des Feuervogels“ von Susanne Kearsley ist genau so ein Buch. Die Autorin hat rund um das Motiv des Feuervogel, das aus dem russischen Volksglauben stammt, nicht nur eine, nein, sogar zwei Geschichten gesponnen:  Eine Rahmenhandlung in der Gegenwart, in der ein geschnitzter Feuervogel, der zufällig in die Hände der jungen Galeristin Nicola Marter gerät, zum Ausgangspunkt einer Abenteuerreise wird. Auf dieser Reise verschwimmen Zeit und Raum jedoch allmählich, und der Leser taucht ein in eine andere, Jahrhunderte alte Geschichte, mit dem Unterschied, dass der Feuervogel in der Vergangenheit nicht Ausgangspunkt der Abenteuerreise, sondern das Ziel ist. Und wie es in märchenhaften Geschichten wohl sein muss, hat Susanne Kearsley nicht nur zwei Handlungsebenen geflochten, sondern eine Sinnebene dahinter gestellt, die wiederum der Logik der Feuervogel-Märchen entspricht:

„Der Feuervogel verliert eine Feder. Und wenn man dumm genug ist, sie aufzuheben und den Vogel zu jagen, kriegt man richtig Probleme. […]  Und erlebt viele Abenteuer. […] Aber was man am Ende bekommt, ist eigentlich nicht das, was man gesucht hat.“

Was Nicola Marter am Ende bekommt, ist wahrlich nicht, was sie gesucht hat, sondern noch viel mehr. Die Suche nach dem Feuervogel in der Zeit Zarin Katharinas bringt die Protagonistin dazu, sich ihrer selbst zu stellen, ihrem wahren Wesen und einer Gabe, mit der sie nicht umzugehen weiß und die sie vor sich selbst versteckt.

„Im Land des Feuervogels“ ist sowohl Historienroman wie auch Märchen, Liebesgeschichte sowie Entwicklungsroman, mutet an manchen Stellen phantastisch an, ist aber keine Fantasy.

Vielmehr schlendert der Leser mit Susanne Kearsley durch Jahrhunderte und fremde Länder, gerät in die Wirren der Jakobitenaufstände, kämpft an Seiten der kleinen Anna und erlebt staunend das Russland unter Peter dem Großen und Katharina I.

Obwohl Susanne Kearsley in ihrem Roman „Im Land des Feuervogels“ geschichtlichen Stoff gekonnt zu einer mitreißenden Geschichte komponiert, ist es nicht das „Geschichtserlebnis“, das mir besonders in Erinnerung bleibt, sondern die Tatsache, dass ich problemlos von einem Handlungsstrang in den anderen getaucht bin und mich nicht entscheiden konnte, ob ich lieber auf den Spuren von Anna im historischen Sankt Peterburg wandelte oder gemeinsam mit Nicola im heutigen Russland dem Geheimnis des Feuervogels nachspürte. Dies zeigt, dass beide Geschichten ebenbürtig waren und sind.

Die Botschaft, die zwischen den Zeilen steht, ist jedoch jenseits von Zeit und Raum, Vergangenheit und Zukunft angesiedelt, sie ist zeitlos: Es ist kein Makel, anders zu sein, vielmehr ist es ein Geschenk.

Ich danke dem Piper Verlag und Lovelybooks für das Leseexemplar.

Leseprobe: Im Land des Feuervogels von Susanna Kearsley

 

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Die Sprache der Schatten

Susanna Goga
Taschenbuch:
448 Seiten
Verlag:
Diana Verlag
Erscheinungsdatum: 9. Mai 2011
ISBN: 978-3453354685

Stell Dir vor, Du wachst auf und plötzlich hat sich Dein Leben verändert. Nichts ist mehr wie es war, Du fühlst Dich vollkommen hilflos, die Menschen um Dich sind Dir fremd. Eines ist dagegen sicher, Du kannst nicht weiterleben wie bisher, Dein früheres Leben ist vorbei. Nur weißt Du das noch nicht.

So fulminant beginnt der Prolog des Buches „Die Sprache der Schatten“ von Susanne Goga. Der Leser ist sich bewusst, dass er Anteil nimmt an einer schicksalshaften Wendung im Leben eines Menschen, die Identität dessen bleibt aber verborgen. Trotzdem zieht er bereits erste Schlüsse und ahnt, dass das Hauptmotiv des Romans, die im Klappentext angekündigten Menschen ohne Gesichter, hier seinen Ursprung hat. Damit hat die Autorin eines geschafft, sie hat die Neugier des Lesers geweckt. Ungeduldig flogen auch bei mir die Augen weiter über die Zeilen, was hat es mit diesem Geheimnis nur auf sich?

Das Geheimnis um die gesichtslosen Menschen ist es auch, das die Hauptperson Rika Conrad nicht mehr loslässt. Mehr noch, ihr Drang den rätselhaften Bildern des Berliner Malers Anthonis nachzuspüren, nimmt so ungeahnte Ausmaße an, dass sie ihre Familie und ihr bisheriges Leben aufs Spiel setzt und diese zu zerbrechen droht.

Rika Conrad übernimmt nach dem Tod ihres Mannes zusammen mit ihrem gleichaltrigen Stiefsohn Alexander die Führung einer aufstrebenden Berliner Damenkonfektion. Ihr geschäftliches Engagement ist in dem Berlin der 1880er Jahre für eine Frau noch sehr ungewöhnlich. Dennoch lässt Alexander Rika gewähren, hat er doch ein Auge auf seine Stiefmutter geworfen. Doch nicht nur die Zuneigung Rikas will Alexander erzwingen, auch für seine Schwester Anna hat er bereits die passende Partie im Auge.  Aber Anna liebt einen jungen Juden und das Drama nimmst seinen Lauf…

Bietet das familiäre Plot schon reichlich Sprengstoff, bringt Rikas Interesse für den Maler Anthonis das Fass zum überlaufen. Zu Beginn ist sie fasziniert von seinen Bildern, auf denen kein einziges Gesicht zu erkennen ist. Schnell jedoch bemerkt der Leser die ersten Anzeichen jenseits des künstlerischen Interesses. Rika ist besessen davon zu erfahren, wer Anthonis wirklich ist und welches Leben er führt. Ob ihrer Verliebtheit vergisst sie jedoch Anna, ihren Schützling, der machtlos den strategischen und egoistischen Plänen Alexanders ausgeliefert ist und damit sprichwörtlich ins Verderben rennt.

Susanne Gogas Historienroman „Die Sprache der Schatten“ beginnt verheißungsvoll kann aus meiner Sicht jedoch die anfänglich geschaffenen hohen Erwartungen nicht einhalten. Zwar bleibt der Roman über weite Strecken hin spannend und Goga schafft es das geschäftige Treiben der aufstrebenden Hauptstadt Berlin bildhaft einzufangen. Dennoch habe ich am Ende das Buch mit Enttäuschung weggelegt. Grund dafür ist sicherlich, dass das egoistische Verhalten der Protagonistin Rika entnervend ist. Auch wenn die Welt vor ihren Augen untergeht, zu zählen scheinen nur ihr persönliches Glück und ihre Selbstverwirklichung. Auch Anthonis, eine Figur mit anfänglich großem Potential wirkt zunehmend blass. Dass mit dem Bösewicht Alexander letztlich abgerechnet wird, ist somit nicht voll befriedigend. Rika hat die Sympathie des Lesers gleichermaßen verspielt, da reicht auch kein zu spät gekommenes Schuldeingeständnis. Insgesamt zeigt sich hier also wieder, was man als Vielleser so oft erlebt: Ein sehr gutes Plot ist keine Garantie dafür, dass das Lesevergnügen bis zum Ende anhält.

Dennoch möchte ich betonen, dass mir Susanne Gogas bildreiche Sprache sehr gut gefallen hat. Herzlichen Dank an dieser Stelle außerdem an Lovelybooks und an den Diana-Verlag für das kostenlose Leseexemplar!


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Bergwehen

Monika Bittl
Droemer Verlag
Gebunde Ausgabe: 312 Seiten
Erscheinungsdatum: September 2008
ISBN: 978-3-426-19801-8

„Bergwehen“ – was versteckt sich hinter diesem Titel? Etwa ein seichter Roman im Stile einer Heimatfilmromanze? Mitnichten! Am Ende der Lektüre angekommen, wundere ich mich, wie sehr ich mich mit meiner Assoziation getäuscht habe. Jetzt weiß ich: Der Titel ist mit Bedacht gewählt, und beschreibt Monika Bittls kluges Buch inhaltlich in doppelter Hinsicht.

Denn die Protagonistin Lucilie Vinzenz hat in ihrer Funktion als Oberhebamme einer Gebäranstalt in München Anfang des 19. Jahrhunderts täglich mit „Wehen“ zu tun. Zu Lucilies Verdruss jedoch immer häufiger auch mit dem tückischen Kindbettfieber, das die „Kreißenden“ in ihrer Einrichtung neuerdings zu Dutzenden das Leben kostet – vor allem nachdem die Ärzte und Medizinstudenten aus Landshut allmonatlich ihren Besuch abgestattet haben. Lucilie entdeckt den Zusammenhang und entwickelt eine Theorie über die Ursache, die jedoch ungeheuerlich ist, und die Hebamme in höchste Gefahr bringt …

Medizinisch bahnbrechende Entdeckungen sind also das tragende Thema des Romans – in Lucilies Fall die Bedeutung der Hygiene. Zu Zeiten von Aderlass und schlechten Säften ist diese Theorie ein heikles Thema, besonders wenn sie von einer Frau kommt und noch dazu die Reputation der Ärzte in Frage stellt. Schließlich hatte es „in der Medizin […] noch nie genügt, Unerhörtes zu denken und etwas Neues zu wagen. Man müsste es auch politisch geschickt durchsetzten und den Anfeindungen trotzen können.“

Dies erkennt im Gegensatz zu Lucilie Doktor Denaro, der zweite Protagonist des Romans. Auch er beschäftigt sich fieberhaft mit medizinischen Problemen. Dabei ist die Suche nach einem Mittel für schmerzfreies Operieren sein persönliches Forschungsgebiet.

Damit hören jedoch die Gemeinsamkeiten zu Lucilie schon auf. Denaro, seines Zeichens sowohl Schwerenöter als auch anerkannter Arzt mit ausgezeichnetem Ruf unter Kollegen sowie besten Beziehungen zu Adelskreisen, hat sich ein kleines Tiroler Bergdorf als Lebensmittelpunkt gesucht. Neben der medizinischen Behandlung der Dorfbewohner frönt er dort der Jagd, klettert auf Berge, genießt die Natur, treibt seine Spielchen mit dem erzkonservativen Pfarrer, um zwischendurch  immer wieder nach Salzburg oder Bologna zu reiten und sich seiner Freiheit, dem weiblichen Geschlecht und den Stadtwirren hinzugeben.

Monika Bittl wechselt mit jedem Kapitel zwischen ihren zwei Hauptfiguren und lässt den Leser also parallel in die Entwicklungen des Lebens beider blicken.  Die große Stärke dabei: Die Autorin erzählt nicht nur die Handlung, sondern vermittelt ihren Lesern unaufdringlich nebenbei umfassendes Wissen aus anderen Bereichen: Sehr detailreich – aber keineswegs anstrengend –  werden sowohl zeitgeschichtliche Ereignisse um Napoleon als auch die Stadtentwicklung Münchens und Salzburgs beschrieben. Tiefe Einblicke in die Hebammenkunst werden ebenso gewährt, wie schon fast mit kulturwissenschaftlichem Auge das authentisch-traditionelle Tiroler Dorfleben geschildert. Was zudem nicht fehlt ist Gesellschaftskritik: So sind es auf der einen Seite nicht nur die Männer – sondern auch die Frauen selbst – die Lucile als weiblicher „Gelehrten“ das Leben schwer machen. Mit Kritik spart die Autorin auch bei ihren eignen Protagonisten nicht: So wird gerade exemplarisch an der Figur Denaros gezeigt, wie vermeintlich höher gestellte Männer die Frauen der niederen Schichten ohne jegliches Verantwortungsgefühl zu ihrer Triebbefriedigung missbrauchten.

Selten wurden die Konsequenzen aus diesen kurzen Verbindungen zum Verhängnis für den männlichen Part – anders in dieser Geschichte.

Es wird also in mehrfacher Hinsicht spannend, wenn sich wie vorauszusehen, die Wege der beiden Protagonisten treffen. Nicht zu sagen sogar turbulent, da sich nach und nach herausstellt, dass die zwei deutlich mehr Berührungspunkte haben, als ihnen lieb sein kann. Wo wir wieder beim Buchttitel angelangt sind, der mit „Wehen“ auch die sich überschlagenden Ereignisse beschreibt: Natürlich inklusive der recht unkonventionellen Liebesgeschichte, die nicht fehlen darf.

Ein letzter Kunstgriff: Obwohl die erste Buchszene das beinahe ironische Ende eigentlich vorwegnimmt, bleibt der Überraschungseffekt dennoch nicht aus und der Leser damit entzückt und erschüttert zugleich zurück. Bergwehen ist eben keine 0815-Baukasten Heimatschnulze!!!

Anmerkung der Redaktion: Dass Monika Bittl vor ihrer Schriftstellerkarriere preisgekrönte Drehbuchautorin war, spiegelt sich im Szenenaufbau ihres Schreibstils wider. So ist es nicht verwunderlich, dass Bergwehen bereits 2009 verfilmt wurde.

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Der König_Cover

Haarsträubend, unerwartet, absolut richtig: Der König

Ingrid Ganß

ISBN 9783940855206                                                                 Verlag: Dryas                                                                     Broschiert: 509 Seiten                                                            Erscheinungstermin: 12.03.2010

Lange ließ Ingrid Ganß alle jene Leser warten, die sich zusammen mit Elisabeth und Jakob auf das Abenteuer des Spielmanns begeben haben, mit ihnen geatmet, geweint und gelacht haben; immer wieder ließen wohl die besonders Passionierten unter ihnen von neuem den Sternenhimmel der Ballnacht auferstehen, haben den Straßenstaub der aufstrebenden Handelsstädte gerochen, das frische Gras unter den nackten Füßen Lises gespürt … genauso wie sie mit der Prinzessin von Messelstein am Ende des Buches König Philipp den Rücken gekehrt und mit jedem Meter auf dem Wagen Barbels einen Schritt auf Jakob zugegangen sind …

Ingrid Ganß hat dem Leser mit dem offenen Ende des Auftaktromans „Der Spielmann“ bewusst viel Raum für die eigene Phantasie gelassen und dazu eingeladen, das Abenteuer selbst weiterzudenken.

Umso überraschender ist deshalb der Einstieg des Fortsetzungsromans. Einige Jahre sind nämlich bereits ins Land gezogen, seit Lises heimlichen Aufbruch aus Reupen, doch hat sich das Paar entgegen aller Erwartungen nicht gefunden. Stattdessen leben die beiden in gänzlich unterschiedlichen Welten und haben sich scheinbar verloren.
Einfühlsam beschriebt Ingrid Ganß Lises Versuch, sich mit einem anderen Leben ohne Jakob abzufinden, mit einem ruhigen Leben, umgeben von Büchern und der Natur. Wie schwer es ihr fällt und welche inneren Kämpfe sie fechtet, wie verzweifelt und unglücklich Elisabeth in Wahrheit ist, erfährt der Leser durch plötzlich eintretende Erinnerungen, glückliche Momentaufnahmen aus einem anderen Leben, die Lise zwar unterdrücken, nicht aber gänzlich ausschalten kann.

Als Andreas unerwartet in ihr Leben tritt, öffnet sich dieses Ventil gleich einem Wasserfall, das Vergangene wird erhellt und Gegenwart und Zukunft erscheinen in einem anderen Licht.
In Ingrid Ganß` Roman „Der König“ ist Innehalten und Staunen vorprogrammiert: Die Geschichte verlässt ihren sicheren Weg, alles scheint verdreht und verkehrt. Der Freund wird zum Liebsten, die Vertraute zum Feind, die Königin zur Magd, die Sicherheit zum Gefängnis, Träume zu Schäumen …

Grandios spielt Ingrid Ganß – wie auch schon in ihrem ersten Roman – mit dem Grundmotiv der Doppelgesichtigkeit und zeigt auf, wie Entscheidungen das Leben beeinflussen.
Und so stehen auch Jakob und Elisabeth am Ende des Romans wiederum vor der Entscheidung König oder Spielmann.

Ingrid Ganß bleibt sich in Ihrem neuen Roman der König treu. Auch diesmal taucht der Leser unweigerlich ein in das Abenteuer, hört das Rascheln der Röcke, riecht den Duft frisch gebackenen Brotes und spürt, wie sich Lises Puls vor Aufregung beschleunigt, als sie die Treppe zum Ballsaal hinauf schreitet.

Und wie im Vorgängerroman auch, lädt die Autorin am Ende dazu ein, sich von der Phantasie beflügeln zu lassen und das Abenteuer um Jacob, Elisabeth und Andreas weiterzudenken.

Für mich ein absoluter Geheimtipp!

 

 

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