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Der König_Cover

Haarsträubend, unerwartet, absolut richtig: Der König

Ingrid Ganß

ISBN 9783940855206                                                                 Verlag: Dryas                                                                     Broschiert: 509 Seiten                                                            Erscheinungstermin: 12.03.2010

Lange ließ Ingrid Ganß alle jene Leser warten, die sich zusammen mit Elisabeth und Jakob auf das Abenteuer des Spielmanns begeben haben, mit ihnen geatmet, geweint und gelacht haben; immer wieder ließen wohl die besonders Passionierten unter ihnen von neuem den Sternenhimmel der Ballnacht auferstehen, haben den Straßenstaub der aufstrebenden Handelsstädte gerochen, das frische Gras unter den nackten Füßen Lises gespürt … genauso wie sie mit der Prinzessin von Messelstein am Ende des Buches König Philipp den Rücken gekehrt und mit jedem Meter auf dem Wagen Barbels einen Schritt auf Jakob zugegangen sind …

Ingrid Ganß hat dem Leser mit dem offenen Ende des Auftaktromans „Der Spielmann“ bewusst viel Raum für die eigene Phantasie gelassen und dazu eingeladen, das Abenteuer selbst weiterzudenken.

Umso überraschender ist deshalb der Einstieg des Fortsetzungsromans. Einige Jahre sind nämlich bereits ins Land gezogen, seit Lises heimlichen Aufbruch aus Reupen, doch hat sich das Paar entgegen aller Erwartungen nicht gefunden. Stattdessen leben die beiden in gänzlich unterschiedlichen Welten und haben sich scheinbar verloren.
Einfühlsam beschriebt Ingrid Ganß Lises Versuch, sich mit einem anderen Leben ohne Jakob abzufinden, mit einem ruhigen Leben, umgeben von Büchern und der Natur. Wie schwer es ihr fällt und welche inneren Kämpfe sie fechtet, wie verzweifelt und unglücklich Elisabeth in Wahrheit ist, erfährt der Leser durch plötzlich eintretende Erinnerungen, glückliche Momentaufnahmen aus einem anderen Leben, die Lise zwar unterdrücken, nicht aber gänzlich ausschalten kann.

Als Andreas unerwartet in ihr Leben tritt, öffnet sich dieses Ventil gleich einem Wasserfall, das Vergangene wird erhellt und Gegenwart und Zukunft erscheinen in einem anderen Licht.
In Ingrid Ganß` Roman „Der König“ ist Innehalten und Staunen vorprogrammiert: Die Geschichte verlässt ihren sicheren Weg, alles scheint verdreht und verkehrt. Der Freund wird zum Liebsten, die Vertraute zum Feind, die Königin zur Magd, die Sicherheit zum Gefängnis, Träume zu Schäumen …

Grandios spielt Ingrid Ganß – wie auch schon in ihrem ersten Roman – mit dem Grundmotiv der Doppelgesichtigkeit und zeigt auf, wie Entscheidungen das Leben beeinflussen.
Und so stehen auch Jakob und Elisabeth am Ende des Romans wiederum vor der Entscheidung König oder Spielmann.

Ingrid Ganß bleibt sich in Ihrem neuen Roman der König treu. Auch diesmal taucht der Leser unweigerlich ein in das Abenteuer, hört das Rascheln der Röcke, riecht den Duft frisch gebackenen Brotes und spürt, wie sich Lises Puls vor Aufregung beschleunigt, als sie die Treppe zum Ballsaal hinauf schreitet.

Und wie im Vorgängerroman auch, lädt die Autorin am Ende dazu ein, sich von der Phantasie beflügeln zu lassen und das Abenteuer um Jacob, Elisabeth und Andreas weiterzudenken.

Für mich ein absoluter Geheimtipp!

 

 

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