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Die Wildrose

Jennifer Donnelly
Piper Verlag
Taschenbuch: 748 Seiten
Originaltitel: The Wild Rose
Rosentrilogie: Band 3
Erscheinungsdatum: Mai 2012
ISBN: 3492300383

„Vor langer Zeit hatte Willa ihr Bein verloren und gelernt, mit dem Verlust zu leben. Er [Seamie] hatte sein Herz verloren. Zum zweiten Mal nun. Und musste lernen mit dem Verlust zu leben. Ohne sie – ohne die Frau, die seine Seelenverwandte war.“ (S. 313)

Diese drei Zeilen bringen das Leitmotiv bzw. den Plot des Romans “Die Wildrose“ von Jennifer Donnelly auf den Punkt. Zwar ist der knapp 750-Seiten-starke Schmöker in der Tradition eines Familienromans gehalten; das heißt, dass auch der dritte Teil der Rosen- Trilogie unterschiedliche Erzählstränge beinhaltet, in denen das Schicksal bzw. das Leben verschiedener Familienmitglieder weitererzählt wird.

Im Mittelpunkt der „Wildrose“ steht aber die „wahnsinnige und rücksichtslose Liebe“ zwischen den Protagonisten Willa und Seamie. Ich bediene mich an dieser Stelle bewusst eines Zitats, denn besser könnte man diese Liebe nicht beschreiben. „Die Wildrose“ ist aus meiner Sicht keine Liebesgeschichte. Vielmehr beschreibt Donnelly über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg die zerstörerische und an Besessenheit grenzende Beziehung zwischen Willa und Seamie, eine unheilbare emotionale Bindung, die mit den Worten von Willas Bruder Albie gesprochen nur mit „Wahnsinn“ beschrieben werden kann und durch ihre „Rücksichtslosigkeit“ andere Menschen ins Unglück stürzt.

Willa und Seamie kennen sich bereits seit Kindertagen. Aus einer innigen Freundschaft entsteht zwischen den Heranwachsenden Liebe. Sie teilen nicht nur die Gefühle füreinander, sondern auch ein Lebensgefühl. Denn beide sind Abenteurer und wollen die Welt entdecken. Auf einer gemeinsamen riskanten Bergtour in Afrika verliert Willa jedoch ihr Bein. Für diesen Verlust macht sie ihren Geliebten verantwortlich und beginnt ein neues Leben am Himalaya, um dort in der Einsamkeit Tibets ihre „Wunden zu lecken“. Seamie, inzwischen ein berühmter Polarforscher – war er doch an der ersten erfolgreichen Expedition an den Südpol beteiligt – kann seine große Liebe Willa nicht vergessen. Trotz dieses Wissens heiratet er Jennie, denn an ihrer Seite – so glaubt er –  kann er seine Besessenheit zu Willa zumindest betäuben. Keine guten Voraussetzungen für Jennie, die sich heftig in Seamie verliebt hat. Und wie es nicht anders sein kann, tritt Willa kurz nach der Hochzeit des Paares wieder in Seamies Leben und das Schicksal nimmt seinen tragischen Lauf …

Die Rosentrilogie von Jennifer Donnelly hat besonders unter Frauen eine große Fangemeinschaft in Deutschland. Ich habe die beiden Vorgängerromane nicht gelesen, sondern bin direkt mit dem dritten Teil in die Familiensaga eingestiegen. Die große Stärke des Buches liegt darin, dass man den Roman auch ohne Kenntnis der beiden anderen Bücher gut lesen kann.

Dennoch hat mich „Die Wildrose“ nicht hundertprozentig überzeugt. Zu tragisch, zu konstruiert und auch zu polarisierend empfinde ich die Geschichte um Willa und Seamie.

Zu tragisch deshalb, weil beim Lesen stets ein bitterer Beigeschmack geblieben ist. Zu offensichtlich war für mich von Anfang an, dass diese „Liebesgeschichte“ ihre „Bauernopfer“ fordert: So z.B. die Lückenbüßerin Jennie, die aus meiner Sicht zu sehr zum Statisten degradiert wird.

Zu konstruiert deshalb, weil der Zufall aus meiner Sicht zu oft und zu offensichtlich den Verlauf der Geschichte lenkt. So tritt der Bösewicht Max nicht nur rein zufällig im Himalaya und in London in Erscheinung, sondern trifft Willa letztlich auch in den Wirren des 1. Weltkriegs im fernen Damaskus  wieder – rein zufällig, nur um eines von zahlreichen Beispielen zu nennen.

Zu polarisierend deshalb, weil das Heldentum der Charaktere in „Die Wildrose“ zu ausgeprägt ist. Da haben wir Seamie, den allseits bekannten Polarforscher; Willa, die todesmutige Abenteuerin, die nicht nur allein am Himalaya zurecht kommt, sondern mit nur einem Bein und als „Frau“ (zur Erinnerung: wir bewegen uns Anfang des 20. Jahrhunderts) zur Kriegsheldin, Spionin und erfolgreichen Kartografin mutiert. Nebenbei erobert sie die Herzen einer ganzen Riege von Männern – auch der vermeintlichen Feinde. Und nicht zu vergessen Willas Bruder Albie, der Stille und Unscheinbare. Freilich geht das Heldentum auch an diesem Denker nicht vorüber – Im Verborgenen versucht er schon seit Jahren sein Vaterland als Geheimdienstler zu retten …

Trotz meines relativ nüchternen Urteils ist „Die Wildrose“ ein gut zu lesender Roman für diejenigen, die sich nicht an diesen märchenhaften Elementen stören lassen, denn das Buch hat auch auch seine Stärken. Ganz besonders hervorzuheben sind hier die historischen Hintergründe und Figuren, die Donnelly immer wieder gut recherchiert einfließen lässt.

Mein persönliches Highlight ist das Ende des Romans. Donnelly hat mit dem vermeintlichen Bösewicht Max von Brandt alle Register gezogen – und all ihre Leser getäuscht. Dieses unvorhersehbare Ende fand ich bemerkenswert und sehr versöhnlich. Damit hat Donnelly es geschafft die Einteilung in Gut und Böse – schwarz und weiß – selbst zu verwischen und hat ihr persönliches Statement zum sinnlosen Blutvergießen im ersten Weltkrieg gegeben. Respekt für diesen Kniff!

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scriba-Autorin des Monats Dezember:

Charlotte Brontë – anlässlich des Kinostarts ihres Romanklassikers „Jane Eyre“

Chralotte bronte mit jane eyre neuverfilmungAls im Herbst 1847 der Roman „Jane Eyre“ eines bisher gänzlich unbekannten Autors erscheint und zum von Kritik und Publikum gefeierten Kassenschlager wird, gibt es in der Londoner Literaturszene nur die eine Frage: „Wer ist dieser Currer Bell?“

Als das Geheimnis um das männliche Pseudonym schließlich gelüftet wurde – nämlich dass das Werk aus der Feder einer Frau stammt -, sah sich die Autorin rasch mit Vorwürfen der Anstößigkeit konfrontiert.

Diese Vorbehalte änderten nichts an der Erfolgsgeschichte des Romans, im Gegenteil: Charlotte Brontës „Jane Eyre“ bleibt bis heute ein weltweit gefeierter Dauerbrenner.  –  Dieser Tage startet in den deutschen Kinos bereits die 19. Verfilmung des Klassikers. Eine ideale Gelegenheit, finden wir, an eine ganz große Autorin zu erinnern:

Dabei beginnt alles mit einem Spiel. Ihr Talent zeigt sich nämlich, als der Bruder 1826 vom Vater ein paar Holzsoldaten bekommt. Charlotte und ihre zwei Schwestern erfinden für die Figuren erst eigene Persönlichkeiten, später auf Papier ein ganzes Königreich – Angria – und schließlich sogar eine eigene Zeitung. Noch als 19-Jährige Lehrerin schreibt sie über die Fantasie-Welt bis sich schließlich die Frustration und die Unzufriedenheit über die Rahmenbedingungen ihres Lehrerberufs steigern. Auch in einer späteren Arbeitsstelle als Gouvernante fühlt sie sich gelangweilt und unglücklich. Dabei hat Charlotte die Pläne für die Zukunft bereits geschmiedet: Sie will eine eigene Mädchenschule gründen. Denn sie hat nicht vor, wie sie in ihrem Tagebuch vermerkt, „den besten Teil [ihres Lebens] in dieser erbärmlichen Knechtschaft zu verbringen.“

Mit einem Aufenthalt in einem Brüssler Pensionat will sich Charlotte das notwenige Wissen aneignen. Die unerfüllte Liebe zum dortigen Direktor führt jedoch zum vorzeitigen Abbruch der Auslandsstudien. Zurück in der Heimat scheitert auch ihr Schulprojekt.

Wie sehr diese Erfahrungen Charlotte geprägt haben, spiegelt sich in ihren Romanen wider, die sie nun zu schreiben beginnt. Sowohl ihre Erlebnisse als Gouvernante und Lehrerin, als auch ihre unglückliche Liebe verarbeitet sie in ihren Werken. In ihrem kurzen Leben – die schwangere Charlotte Brontë stirbt 40-jährig – hat sie mit Jane Eyre (1847), Shirley (1849), Villette (1853), und Der Professor (1857) ein beachtliches literarisches Erbe hinterlassen, das den Leser bis heute beigeistert.

Heute kommt die Neuverfilmung von „Jane Eyre“ von  Regisseur Cary Fukunaga in die Kinos, der mit „Sin Nombre“ 2009 bereits international erfolgreich war. In den Hauptrollen sind Mia Wasikowska, Michael Fassbender  zu sehen. Und das Beste: Der Film orientiert sich – anders als viele Vorgänger – sehr nah am literarischen Vorbild! Hier der Trailer:

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