Kategorie-Archiv: Krimi

Wassermanns Zorn

Andreas Winkelmann
Verlag: Wunderlich
Broschiert:
416 Seiten
Erscheinungsdatum:
17. August 2012 (Auflage 2)
ISBN-13:
978-3805250375

Einige Tage sind bereits verstrichen, seit ich den Thriller Wassermanns Zorn von Andreas Winkelmann beendet habe. Bewusst habe ich mich nicht sofort hingesetzt und meine Gedanken dazu zu Papier gebracht. Vielmehr wollte ich warten, bis sich das unmittelbare Geschehen im Denken verflüchtigt und sich der bleibende Leseeindruck festigt. Ist es doch genau dieser Eindruck, der im Nachklang – auch Wochen und Monate später – bestehen bleibt und die persönliche Lesebeziehung zum jeweiligen Buch bestimmt, stolpert man wieder über dasjenige.

Was ist nun hängen geblieben von Wassermanns Zorn und wie nachhallend erlebe ich das Gelesene?

Kurzum, der Eindruck ist ein ganz anderer, als hätte ich sofort begonnen zu rezensieren: Es ist nämlich keinesfalls die Polizeiarbeit – das jedem Thriller bzw. Krimi innenwohnende Lösen des Rätsels – über das ich nun berichten will; auch ist es weder der geschlechterspezifische und hierarchische Grundkonflikt, der die Beziehung der ermittelnden Kommissare prägt, noch der Eindruck, den die vielen unterschiedlichen Charaktere – angefangen vom Täter über die einzelnen Opfer bis zu den Helden des Romans – hinterlassen.

Vielmehr ist es eine ästhetische Komponente, die Andreas Winkelmanns Thriller bestimmt:  Schließe ich die Augen und lasse mich zurückfallen in die Welt des Wassermanns, tun sich immer wieder die gleichen Sinneseindrücke auf:

Es ist düster, ich höre das Schilf rascheln, lausche den Geräuschen des Wassers, spüre das Nass um mich herum – scheinbar harmlos und idyllisch. Doch plötzlich ist sie da, die Panik, ich höre mein Herz schlagen, spüre eine dunkle Gegenwart, möchte mich fortbewegen, möchte fliehen – vor was? Ich weiß es nicht, nur ahne ich, dass ich fliehen muss – sofort! Es scheint zu funktionieren – Hoffnung flackert auf. Doch dann – ohne Vorwarnung – werde ich hinabgezogen in das Reich des Wassermanns, immer tiefer und tiefer. Ich versuche mich zu wehren, halte die Luft an, doch meine Lunge birst. Bald muss ich atmen, spüre Hände um mich – die mir die Luft nehmen, mich wiegen … doch nun ist es zu spät, ich atme … und der Wassermann tanzt mit mir, meine Haare wie ein wunderschöner Schleier im Nass. Die Geräusche verebben, alles ist friedlich, sinnlich, leise, düster …

Aus meiner Sicht ist die große erzählerische Leistung von Andreas Winkelmann, das Grauen nicht in seiner Plumpheit und Brutalität darzustellen, sondern ästhetisch, fast poetisch. Lässt den Leser normalerweise eine blutige Darstellung die Augen schließen und angewidert wegsehen, schaut er bei Winkelmanns Erzählung genau hin – versteinert und gebannt, unfassbar ob der Umstände. Leitmotivisch zieht sich dieses Spiel mit sich scheinbar ausschließenden Sinneseindrücken durch die Mordserie des Buches und verfestigt das Bild des wahrlich  tanzenden Wassermanns.

Den Inhalt des Romans will ich nicht nacherzählen, bringt es doch ein Thriller per se mit sich, dass er vom Nicht-Wissen des Lesers und der sich entwickelnden Spannung lebt. Nur so viel:  Die Geschichte um die ermittelnde Kommissarin Sperling hat mich nicht in dem Maße bewegt, wie der ästhetische Ansatzpunkt und der kluge und stimmige Aufbau des Romans. Aus meiner Sicht sind einige der Charaktere zu blass und im Nachklang schnell vergessen; eine Ausnahme bildet dabei der Taxi-fahrende Frank, der sich in das Herz des Lesers stiehlt.

Kurzum, Wassermanns Zorn ist ein empfehlenswerter Roman für Leser, die weniger Wert auf blutige Thriller, aber dafür auf eine handwerklich hervorragend erarbeitet Geschichte (gelungene Perspektivwechsel, unvorhersehbarer Aufbau) legen und offen sind für eine unkonventionelle Darstellung des Grauens.

Dank an Lovelybooks und den Rowohlt Verlag für das kostenlose Leseexemplar.

Leseprobe zu Wassermanns Zorn von Andreas Winkelmann

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Asa Larsson - Der schwarze Steg

Eine zauberhafte Reihe von Åsa Larsson

Åsa Larsson: Der schwarze Steg

Asa Larsson - Der schwarze Steg

Taschenbuch: 448 Seiten
Verlag: btb Verlag (1. Dezember 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN: 3442738628
Originaltitel: Svart Stig
Übersetzung: Gabriele Haefs

Mit Sonnensturm (wurde auch verfilmt) und Weiße Nacht legt Asa Larsson einen soliden Grundstock für die insgesamt sechs Bände umfassende Reihe um die Juristin Rebecka Marinsson, ihren Nachbarn Sivving, die Polizisten Anna-Maria Mella und Sven-Erik Stålnacke in Kiruna, der nördlichsten Stadt Schwedens nur 300 km vom Polarkreis entfernt. Rebecka Marinsson erlebt in den beiden Auftaktbänden jeweils spannende und furchtbare Dinge, die das Leben der jungen Anwältin, die im Begriff ist, eine Bilderbuchkarriere hinzulegen, völlig aus den Fugen geraten lässt. Nach zwei gescheiterten Mordversuchen, die ihre Grundfesten völlig ins Wanken bringen, zieht Rebecka Martinsson ins Haus ihrer Großmutter nach Kiruna, der kältesten und schneereichsten Gegend Schwedens. Aufgrund ihrer psychischen Probleme nach den schrecklichen Episoden in den ersten Bänden, hat sie inzwischen den Anwaltsberuf in Stockholm an den Nagel gehängt und arbeitet als stellvertretende Staatsanwältin.

Nachdem im beschaulichen Kiruna die Leiche einer Frau gefunden wird, teuer gekleidet und starr gefroren, ist Rebecka auch bald an den Ermittlungen beteiligt. Gemeinsam mit Sven-Erik Stålnacke und Anna-Maria Mella taucht sie tief ein in internationale wirtschaftliche und politische Verstrickungen und ein kompliziertes Beziehungsgeflecht an dessen Spitze eine weltweit agierende Grubengesellschaft steht. Die Tote, Inna, war Teil des Führungstrios, dem auch ihr Bruder Diddi und dessen Studienkollege Mauri Kallis angehören. Inna und Diddi, aus verarmtem Adel stammend, charmant und mit guten Beziehungen, öffnen Mauri, der aus ärmsten und zerrütteten Verhältnissen stammt, Tür und Tor und verschaffen ihm Zugang zur High Society und damit zu den Geldgebern. Die Geschwister haben jedoch zunehmend Skrupel, wenn es um die Finanzierung von Grubengeschäften in Afrika und Waffengeschäfte mit den dortigen Machthabern geht. Das kann Mauri so natürlich nicht stehen lassen.

Aber im Mittelpunkt stehen weniger die komplizierten wirtschaftlichen und politischen Verwicklungen. Es ist vielmehr eine Geschichte um die ganz individuellen Schicksale der Protagonisten und Asa Larsson läuft im dritten Band der Reihe meiner Meinung nach erzählerisch zur Höchstform auf – der Kriminalfall bleibt da manchmal Nebensache. Die verschachtelte Handlung wird gestützt von den unterschiedlichen Charakteren, die allesamt ganz Besonders sind.

Larsson entwickelt ihre Figuren langsam und unaufdringlich, sie gibt ihnen Zeit und bette sie ein in ein Netz aus Familie, Umwelt und Phantasie. Viele Motive, die sich in ihren Krimis finden, sind denn auch der nordischen Mythologie und samischen Geschichten entlehnt und ihre Figuren bewegen sich oft – ganz untypisch für einen Krimi – in einer Zwischenwelt. Sie sehen und spüren mehr als andere und auch die Toten haben hier noch ihren Platz. Dennoch steht auch das Fantastische nicht im Vordergrund, sind die Bücher keine Fantasy-Romane. Die Visionen und Ahnungen werden eher wie nebenbei erzählt und nicht als besondere Fähigkeiten dargestellt.

Was die Geschichte und Rebeckas Weg zurück in ein neues Leben natürlich perfekt macht, ist eine neue Liebe. Ob das etwas wird, sei hier nicht verraten – selber lesen lohnt sich!

Warum hier gerade dieses Buch, obwohl es bereits 2007 auf deutsch erschienen ist?

Ganz einfach: Ich lese gerade Band 4 („Bis dein Zorn sich legt“) und Band 5 ist für Herbst  in Schweden angekündigt, also wohl im Frühjahr 2012 bei uns zu haben. Und: Bücher werden ja nie alt… ;-)

Leseproben gibt es hier auf der Seite der Autorin

Weitere Rezensionen und ein Portrait der Autorin auf Krimi-Couch.de

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Cheng: Sein erster Fall

Heinrich Steinfest
Taschenbuch: 272 Seiten
Verlag: Piper  2007
Sprache: Deutsch
ISBN-10:3492248747
Erstausgabe: 1999 bei Bastei Lübbe

 

Ich bin durch Zufall auf Steinfest-Bücher gestoßen. Mit jeder gelesenen Seite war ich mehr gefangen. Ich fand es als befreiend und als eine gewisse Genugtuung, in eine Welt einzutauchen, in der uns allen, aber im Besonderen der selbstherrlichen und auf Standesdünkel bestehenden Gesellschaft, in Form von Satire der Spiegel vorgehalten wird. Eine Milieuanalyse messerscharf geschnitten und beobachtet.

Dies geschieht in einer Wortakrobatik, einem regelrechten Sezieren, einer Wahrheit bis zur Komik, bis zu einem Entblößen der Figuren von einem Wortartisten, von einem, der uns das Gefühl gibt, schon hundert Jahre gelebt zu haben um so viel Stoff zu (er)finden.

Ein Buch, das vor Komik strotzt und einem zum Lachen zwingt. Ein Buch, in welchem wir verschont werden von autobiographischen Ergüssen, von Werdegängen, die niemanden interessieren, aber die uns trotzdem in einer Aufdringlichkeit unerwünschter Fernseh-Werbung um die Ohren gehauen werden.Wir dürfen uns zurücklehnen, amüsiert lachen und uns darüber freuen, daß endlich einer Tacheles redet, sicher wissend um den damit bereitenden Unmut.

Dies sind mit Sicherheit keine klassischen Krimis, welche zum überwiegenden Teil zum Erbrechen schlecht geschrieben sind und nur durch massive Werbung Spitzenplätze erreichen. Auf Steinfest auszuweichen ist garantiert nicht nur schönster Zeitvertreib, sondern ein Eintauchen in eine Parallelwelt der besonderen Unterhaltung. Eine unbedingt empfehlenswerte Satire, ein rabenschwarzer Roman!

Eine Gastrezension von Ilona

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