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Dark Canopy

Jennifer Benkau
Verlag:
Script 5
Gebundene Ausgabe:
528 Seiten
Erscheinungsdatum: 1. März 2012
ISBN: 978-3-8390-0144-8

Dystopien haben Hochkonjunktur. Schon vor mehreren Jahrzehnten haben Autoren wie Aldous Huxley („Brave New World“, 1932) oder George Orwell („1984“, 1949) mit Romanen, die in einer negativen erfundenen Gesellschaft spielen, Furore gemacht. Heute hat der Hype um die Anti-Utopien, in denen individulle Rechte mit Füßen getreten werden und Krieg und Unterdrückung herrschen, beinahe jedes Jugendzimmer erreicht.

Auch „Dark Canopy“ von Jennifer Benkau nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Zukunft, in der die Menschen unterjocht werden und in Angst und Schrecken leben. Die Percents, künstlich geschaffene Soldaten, haben die Weltherrschaft übernommen. Als „Kampfmaschinen“ für den 3. Weltkrieg gezüchtet, sind sie den Menschen körperlich weit überlegen. Doch sie haben einen Feind: Das Sonnenlicht verbrennt ihre Haut. Aus diesem Grund wurde die Welt verdunkelt. Tag ein, Tag aus schleudert eine Maschine Staub in die Atmosphäre und hat der Bevölkerung nicht nur das Licht, sondern auch den Lebensmut genommen. Ein Dasein in Resignation ist „graue Realität“. In dieser Welt wächst die 20-jährige Joy auf. Sie jedoch gehört zu den Wenigen, die sich den Unterdrückern widersetzen und außerhalb der Stadtmauern wohnen. Joy ist als Freiheitskämpfern auf ein Leben im Untergrund geschult. Dennoch fällt auch sie eines Tages den Percents in die Hände und damit ist ihr Schicksal besiegelt. Als Soldatin für die jährlich stattfindende Menschenjagd auserkoren, bleibt ihr nur die Aussicht auf einen grausamen Tod oder bestenfalls eine Zukunft als Gebärmaschine im Zuchtprogramm der Percents … Doch gerade unter den Feinden gibt es jemanden, der dieses Schicksal nicht akzeptieren will und damit sein eigenes besiegelt!

Schon als ich den Plot von Jennifer Benaus Roman gelesen habe, war klar, dass „Dark Canopy“ Potential hat und mir ein nettes Lesewochenende bescheren wird.  „Nett“ ist jedoch weit gefehlt! „Dark Canopy“ hat nicht „nur“ Potential, der Roman hat mich gepackt und nicht mehr losgelassen. Noch immer, während ich dies schreibe, bin ich gefangen von dem Zauber, der Benkaus‘ Dystopie innewohnt. Dieser Zauber wohnt zwischen den Zeilen, zwischen den Figuren, zwischen Joy und Neel.

Er ergibt sich aber in erster Linie daraus, dass „Dark Canopy“ mich überrascht hat. Das Buch folgt nämlich nicht hundertprozentig dem gängigen Muster eines Jugendromans. Zwar bedient sich Benkau auch typischen Erfolgszutaten und hat die Geschichte um eine unmögliche Liebe zwischen Feinden in einer dystopisch geprägten Welt als Fortsetzungsroman angelegt. Dennoch ist „Dark Canopy“ anders: Der Roman ist grausamer, düsterer, spannender und  begnügt sich nicht in typischer Jugendroman-Manier mit dem ersten Kuss und „übermoralisierenden“ Botschaften. Wo Gewalt sonst nur angedeutet wird, liest man von einem „eingetretenen Brustkorb“ auf dem Gehweg, von „blutverklebtem Haar“ und fehlenden „Schädelrückseiten“. Man liest von Trauer und Schmerz, von Menschen die brechen und verzweifeln, von Tränen, Tod und Resignation, von Vergewaltigung, Schuld und Enttäuschung. Man liest aber auch von unverhoffter Freundschaft, von Hoffnung, von Widerstand, Versöhnung und von Liebe. Zu verwechseln ist diese Liebe jedoch nicht mit dem so weit verbreiteten Kitsch. Es ist eine Liebe gewachsen in Zeiten des Krieges, ungewollt, lästig, gefährlich: „Wenn ich eine Wahl hätte, wärst Du mir egal“,  heißt es da, doch gibt es keine Wahl, wenn die Gefühle zuschlagen. Und deshalb „muss man manchmal etwas riskieren, ohne hundertprozentig zu wissen, wie es ausgeht.“

Dass Benkau diese Zeilen aus der Mitte des Buches mehr als nur zufällig gewählt hat, wird gegen Ende von „Dark Canopy“ klar. Die letzten 50 Seiten des Romans ähneln einem Ritt in die Hölle. Noch immer kann ich die Angst riechen, die alles umgibt, noch immer stockt mein Atem, noch immer fliegen die Bilder hastig vor meinem inneren Auge vorbei und noch immer hämmert die Einsicht des Romans in meinem Kopf: „Sie waren alle gleich“, Unterdrückte wie Unterdrücker!

„Dark Canopy“ ist nichts für „schwache Nerven“ und für Leser, die erwarten, dass am Ende alles gut ist. Allen anderen sei der Roman mehr als empfohlen: spitzzüngige Dialoge, die nicht nur einmal zum Schmunzeln bringen, elektrisierende Spannung und eine berührende Liebesgeschichte machen den Reiz von „Dark Canopy“ aus! Die Fortsetzung soll im Frühjahr 2013 erscheinen, doch Dark Canopy lässt sich bestens als Einzelroman lesen.

Für mich bisher die beste Dystopie des Jahres!

Leseprobe von „Dark Canopy“

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