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Die Klavierspielerin – Ein Buch, meilenweit entfernt vom gängigen „Das müssen Sie lesen“

Elfriede Jelinek
Taschenbuch:
283 Seiten
Originalausgabe:
Rowohlt (1983)
Sprache:
Deutsch
ISBN-10:
3-499-15812-4

Darf der „normale Leser“ sich trauen das Buch einer Nobelpreisträgerin zu rezensieren?
Ja, denn man kann und sollte zu allem eine eigene Meinung haben, und es wäre falsch sich in einer medial bevormundeten Welt keine eigenen Gedanken zu machen.

Das Buch ist düster, sehr düster. Anfangs erweckt es Interesse, die Sätze sind kurz gehalten, das ist angenehm, die Wortgebilde sind ästhetisch schön, lassen staunen und wieder versucht man sich am Inhalt des Buches. Man ergreift Partei für die Protagonistin, durchlebt und durchleidet mit ihr den minutiös eingeteilten Tagesablauf, in dem kein Platz für Kindsein bleibt, was sich bis zur Selbstverletzung steigert. Auch dieser Versuch des Kindes, Gefühle zu verspüren, scheitert. Im Fokus steht jene unsägliche Mutter-Tochter-Beziehung, die sich aus dem unstillbaren Ehrgeiz der Mutter speist.

Für ihre Tochter „nur das Beste wollend“, versperrt sie dem Kind eine normale Entwicklung, ein neugieriger Teenager zu sein und ein Erleben von Sexualität. Trotz aller Entsagungen und allem Fleiß erreicht die junge Frau keinen pianistischen Weltruhm, bringt sich widerwillig als Lehrerin, Professorin für mäßig begabte Kinder von wiederum ehrgeizgeplagten Eltern durch.
Sie lebt immer noch gemeinsam mit ihrer Mutter, schläft mit ihr im Ehebett und wird permanent von ihr überwacht. Die leidenschaftliche Verehrung eines Musikschülers wühlt Emotionen in ihr auf, aber sie ist unfähig die Sexualität auszuleben. Alles steuert auf eine Katastrophe zu, der unverstandene Liebhaber gerät in Rage und das Verhältnis verdreht sich in Gewalt. Am Schluß endet alles in einem Desaster.

Ein nicht leicht lesbares Buch, obwohl in wunderschöne Worte gekleidet und man kommt unweigerlich zu dem Schluß, Eltern sollten ihre Kinder in ihren Anlagen unterstützen, aber nicht aus elterlichem Geltungsdrang, sondern weil Kinder es unbedingt wollen.
Es ist ein Lehrbeispiel für alle Eltern, die ihre Kinder zwangsweise nach ihren Normen formen und dabei das eigene Glück des Kindes außer Acht lassen. Es braucht ungeheuere Anstrengung von Seiten des Kindes, dieses Trauma abzulegen, wenn es überhaupt gelingt.

Ein Buch, das von der wunderschönen, ungeschnörkelten und für mich heimeligen Sprache lebt, das die meisten hochgeputschten Bestsellertitel in ihre Schranken weist und bei seinem Leser bleibenden Eindruck hinterläßt.

Ein Buch, meilenweit entfernt vom gängigen „Das müssen Sie lesen“, wohlabgehoben und für die Autorin selber sicher keine leichte Kost. Sehr lesenswert!!

Eine Gastrezension von Ilona

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