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scriba-Autor des Monats Mai

Gerhard Polt: scriba gratuliert zum 70sten

Gerhard PoltAutoren werden üblicherweise für ihre literarischen Erzeugnisse in Buchform geschätzt. Dabei muss sich die Präsentation eines Werkes nicht unbedingt auf die Publikation zwischen den Buchdeckeln beschränken. Dies beweist Gerhard Polt überaus erfolgreich seit mehr als 3 Jahrzehnten. Seinen 70. Geburtstag am 7. Mai nehmen wir deshalb zum Anlass, um den „Satiriker und Moralisten“ zu würdigen.

Berühmt ist Gerhard Polt weit über die bajuwarischen Grenzen hinweg für sein kabarettistisches Schaffen. Dies zeigt sich dieser Tage ganz besonders.  Lauscht man dem Radio, schlägt man die Zeitung auf oder macht man es sich abends vor dem Fernseher gemütlich:

"Dichterling in beinah würdiger Pose"

Die Medienwelt feiert den Satiriker regelrecht wie einen Popstar. Zum 70. Geburtstag gratuliert alles, was in Kultur und Politik Rang und Namen hat. Freuen wird sich der Jubilar darüber wahrscheinlich weniger. Im Gegenteil, diese Aufmerksamkeitsschwemme dürfte Polt, von dem kaum Interviews existieren, der die Öffentlichkeit konsequent meidet und sein Privatleben regelrecht unter Verschluss hält, äußerst zuwider sein. Da wundert es nicht, dass der Kabarettist nach Skandinavien geflüchtet ist, um dem ganzen Wirbel um seine Person zu entgehen.

Nichtsdestotrotz reiht sich scriba in die lange Liste der Laudationen ein, und zwar aus dem einfachen Grund, dass Gerhard Polt mit seinem Werk aus drei Schaffensperioden ein unerreicht leuchtender Stern am bayerischen Kabaretthimmel ist, der es verdient, geehrt zu werden:

Von „Gemütlichkeitsvollzugsanstalten“ und „Old Schwurhand“

Polt-Ausstellung im Münchner Literaturhaus

Feinsinnig, Hintergründig,  weit entfernt von plumpem Comedy, vielmehr durchsetzt von kritischem Weitblick und mitunter auch bitterbösem Humor zeichnet sich sein Stil aus. Polt verurteilt nicht, er stellt den engstirnigen und unreflektierten Normalbürger, Beamten, Politiker, Intellektuellen oder auch Geistlichen wie kürzlich Papst Benedikt einfach nur pointiert dar. Deutlichstes Merkmal dabei ist, dass seine Satire die Wirklichkeit nicht überzogen widerspiegelt. Vielmehr spricht laut dem Poltschen Verständnis das für sich, was die Leute so sagen. Da brauche man gar nix mehr dazu sagen, meint der Sprachphilosoph Polt, beobachtet und stellt dar. Nicht mehr und nicht weniger. Seine Anregungen hole er sich oftmals von Stammtischen, sagt Polt.

Polt-Ausstellung im Münchner Literaturhaus

Sein ambivalentes Verhältnis dazu drückt er vielsagend mit dem Begriff „Gemütlichkeitsvollzugsanstalten“ aus. Was letztlich aus diesen Beobachtungen wird, präsentiert er dem Publikum auf vielfältige Weise, aber in stets gleicher „Strickjoppe“-Montur: Auf der Kino-Leinwand, als Fernsehsketsch wie am Anfang seiner Karriere in den „Fast wia im richtigen Leben“-Folgen, natürlich auf der Kabarett-Bühne oder auch in großen Häusern wir der Staatsoper oder den Münchener Kammerspielen. Unterstützt wurde er dabei vielmals von Gisela Schneeberger als Spielpartnerin und Hans-Christian Mueller als Regisseur und Co-Autor. Seit 1986 kaum aus den Polt-Programmen wegzudenken sind zudem die Biermösl-Blosn, mit denen er gemeinsam sogar einmal mit den Toten Hosen auf Tour ging.

Polt ist eben immer für Überraschungen gut: Das hat auch ein ZDF-Redakteur bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises deutlich zu spüren bekommen, als er verlangte, dass der Kabarettist den CSU-Politiker Zimmermann in Anspielung an dessen Meineid im Bundestag nicht als „Old Schwurhand“ bezeichnen darf. Aus Protest auf die Zensur versucht Polt bei der Live-Übertragung 10 Minuten einfach nichts zu sagen.

Gerhard Polt zum 70sten: Braucht’s des?!

Polt-Ausstellung im Münchner Literaturhaus
Polt-Ausstellung im Münchner Literaturhaus

Diese Szene, die heute zu den großen des Kabaretts gehört,  ist in voller Länge in der aktuellen Polt-Ausstellung  zu sehen, die im Münchner Literaturhaus noch bis zum 10. Juni läuft.  Der Titel „Braucht’s des?! Gerhard Polt zum 70sten“ steht charakteristisch für den 1942 in München geborenen und später in Altötting aufgewachsenen Polt, der der Meinung ist: „Ein Mensch, der lebt, braucht keine Biographie.“ Konsequenterweise ist die Ausstellung in Form von Filmausschnitten hauptsächlich ein Parcours durch die deutsche Karbarettgeschichte. Der private Polt bleibt weitestgehend auch einer; Dass es Polt nach seinem geisteswissenschaftlichen Studium in München, nach Göteborg verschlägt, erfährt man aber trotzdem. Dort studiert er nicht nur ein weiteres Mal (Skandinavistik und Altgermanisch), sondern lernt auch seine spätere Frau kennen, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat. Heute lebt Polt, der nach eignen Angaben schon immer Bootsverleiher werden wollte, am Schliersee mit Zweitwohnsitz Teraccina in Italien, was kein geringerer Ort ist, als der Schauplatz von dessen bekanntem Film „Man spricht deutsch“. Sie sehen, der Kreis schließt sich; wer nun noch mehr über das Leben und Werk Polts erfahren möchte, dem sei die Ausstellung im Literturhaus München wärmstens empfohlen. Wir haben uns von deren Qualität selbst überzeugt  (siehe Fotos) …

Wir haltens nun ganz wie Polt selbst und stimmen zum Schluss unserer Laudatio ein:
Wann i nimma meng dad, gangad i hoam! (Gerhard Polt: Wia im richtigen Leben, Folge 1)

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