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Autor des Monats Januar

Lepold von Sacher-Masoch: Von „Venus im Pelz“ zum Masochismus

Leopold von Sacher-Masoch

Unterwerfung und Erniedrigung – zwei Worte, die gemeinhin negativ konnotiert sind, setzten sie doch Gewalt und mangelnde Gleichberechtigung zwischen zwei Personen voraus; zwei Worte die überraschenderweise dennoch Abertausende von Menschen faszinieren, denkt man an den Welterfolg „Fifty Shades of Grey“ von E L Lewis. Denn unbestritten ist die Gleichung „dominanter (und natürlich schöner und reicher) Mann sucht sexuelle Triebbefriedigung in einer Beziehung mit einer vermeintlich devoten Sklavin (natürlich schön und in diesem Fall Jungfrau)“ Grund dafür, dass der knapp 2000 Seiten starke Dreiteiler massenhaft gelesen und bejubelt wird. Die schriftstellerische Leistung von E L Lewis ist es wohl kaum. Das bestätigen die glühenden Leserinnen selbst, wie ein kurzer Blick auf die unzähligen sich im Netz tummelnden Rezensionen zeigt: Von geringem Wortschatz ist da die Rede, immer gleichen Phrasen, ermüdenden Wiederholungen – kurzum, von einer schriftstellerisch ungenügenden Leistung. Doch dennoch können die Leserinnen nicht von Christian Grey, dem Dom und seiner Sub lassen, verzeihen in Anbetracht des delikaten Themas stilistische Einfältigkeit, bis sie atemlos am Ende angekommen und dann auf einmal doch murren über die allzu oberflächliche Lektüre.

Dies alles verwundert, ist doch der Stoff, dem E L Lewis sich bedient nicht neu. Ironischerweise verdankt der Masochismus seinem Namen einem überaus produktiven Schriftsteller, für den die literarische Darstellung gewalterotischer Beziehungen im Gegensatz zu Lewis den Anfang vom Ende seines schriftstellerischen Ruhms bedeutete.

Statue Sacher-Masochs in Lviv, Ukraine

Über 80 Romane und 100 Novellen hat Leopold Ritter Graf von Sacher-Masoch (1836-1895) verfasst und war seinerzeit viel beachtet – auch von Kollegen wie Victor Hugo oder Hendrik Ibsen. Sacher-Masoch war einer der ersten, der das Judentum in Galizien realistisch gezeichnet hat. Seine galizischen Geschichten bescherten ihm sogar den Beinamen „Turgenjew Kleinrußlands„. Auch durchaus provokante Forderungen werden Sacher-Masoch zugeschrieben. So sei die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nur möglich, wenn beide Geschlechter Seite an Seite arbeiten. Eheglück sei also davon abhängig, dass der Landadel den Frauen Arbeitschancen einräumt – ein Gedanke der im Kreise der Feudalherren undenkbar war.

„Daß das Weib, wie es die Natur geschaffen und wie es der Mann gegenwärtig heranzieht, sein Feind ist und nur seine Sklavin oder seine Despotin sein kann, nie aber seine Gefährtin. Dies wird sie erst dann sein können, wenn sie ihm gleich steht an Rechten, wenn sie ihm ebenbürtig ist durch Bildung und Arbeit.“ (Venus im Pelz)

Ohne diesen Schritt können – so Sacher-Masoch – Männer und Frauen nur eines füreinander sein: „Hammer oder Amboss“. Hier sind wir angelangt bei der Novelle, die seine Popularität in der Gegenwart begründet und ihn (unfreiwillig) in die Geschichte eingehen ließ: „Venus im Pelz“, das Werk, in dem Sacher-Masoch den Kampf der Geschlechter in der Liebe beschreibt.

Severin, sein Titelheld, geht eine Beziehung als Sklave mit Gräfin Wanda von Dunajw ein – literarischer Stoff, der uns in Zeiten von „Shades of Grey“ mehr als vertraut ist. Damals wie heute erregte die unkonventionelle (Gewalt-)erotische Beziehung immenses Aufsehen – nur dass sie für Lewis den Aufstieg und für Sacher-Masoch den langsamen Abstieg bedeutete.

Grund dafür war nicht allein die harsche Reaktion der Literaturkritik („häßlich, widerwärtig, unnatürlich, unwahr“, Zeitschrift: Der Salon), sondern dass der Name Sacher-Masoch unwiderbringlich auf Gewalterotik festgelegt wurde. Der Umstand, dass Leopold von Sacher-Masoch als erster Literat das Erleiden von Schmerz mit Lust verband, lies nämlich 1890 den Wiener Sexualforscher Richard von Krafft-Ebbing in Analogie zu dem bereits bekannten Terminus „Sadismus“ den Begriff „Masochismus“ einführen.

„Anlass und Berechtigung, diese sexuelle Anomalie ‚Masochismus“ zu nennen, ergab sich mir daraus, dass der Schriftsteller Sacher-Masoch in seinen Romanen und Novellen diese wissenschaftlich damals noch gar nicht gekannte Perversion zum Gegenstand seiner Darstellungen überaus häufig gemacht hatte. […] In den letzten Jahren wurden mir übrigens Beweise dafür beigebracht, dass Sacher-Masoch nicht bloss der Dichter des Masochismus gewesen, sondern selbst mit der in Rede stehenden Anomalie behaftet gewesen sei. (Krafft-Ebbing, Psychopathia sexualis)

Bela B. und Catherine Flemming nahmen "Venus im Pelz" als Hörbuch auf.

Sacher-Masoch kämpfte gegen diese Begrifflichkeit an, wollte er sein Werk doch nicht allein auf diesen einen Aspekt reduziert sehen – jedoch vergeblich: Leopold von Sacher-Masoch, noch Jahre zuvor einer der meist gelesenen deutschsprachigen Schriftsteller, verschwand in der Versenkung. Erst nach seinem Tod rückte der Autor immer wieder ins Interesse der Öffentlichkeit, das aber weniger aufgrund literarischer Aspekte. Vielmehr stand die Person Sacher-Masoch im Fokus, die Pate wurde für eine Variante des sexuellen Erlebens, bei der die volle sexuelle Befriedigung mit dem Erleiden von Demütigung oder Schmerz einhergeht. Heute ist der Namensgeber des Masochismus weitegehend vergessen. Die Faszination der Gewalterotik in der Literatur erlebt dagegen spätestens seit E L Lewis „Fifty Shades of Grey“ einen neuen Boom, nur dass die Schriftstellerin knapp 150 Jahre nach „Venus im Pelz“ Kapital daraus zu schlagen weiß.

Leseprobe Venus im Pelz

„Venus im Pelz“ inspirierte die Band Velvet Underground zu dem Song „Venus in Furs“, der 1967 erschien:

Kurzbiographie und Bibliographie von Lepold von Sacher-Masoch

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