Kategorie-Archiv: Allgemein

Osteuropa auf der Leipziger Buchmesse 2013

Am Donnerstag wurde das Programm der diesjährigen Leipziger Buchmesse veröffentlicht, die vom 14. bis zum 17. März ihre Tore öffnet. Und siehe da! Nachdem im letzten Jahr Südosteuropa bereits im Fokus der Buchmesse stand, kommen auch 2013 Osteuropa-Fans auf ihre Kosten! Neben in Deutschland noch eher unbekannten AutorInnen wie beispielsweise Lindita Arapi aus Albanien, sind Schriftstellergrößen wie der Ungar Péter Esterházy zu Gast in Leipzig.

Hier eine kurze Zusammenstellung einiger meiner persönlichen Höhepunkte:

Techno der Jaguare – Neue Erzählungen aus Georgien
Datum: 14. März, 10.30 Uhr – 11.00 Uhr
Autorinnen:
Ekaterine Togonidze, Tamta Melaschwili, Nino Haratischwili
Aus dem Programm: Nicht nur die sprachliche Kraft und der Erfolg der Autorinnen zeigen, dass Georgien ein Land ist, das literarisch im Aufbruch begriffen ist. In den letzten Jahren hat sich dort eine lebendige und vielstimmige Literatur herausgebildet, die vor allem von jungen Autorinnen bestimmt wird. Mit Lakonie, Scharfsinn und ungeheurer Erzählfreude porträtieren sie Leben und gesellschaftliche Umbrüche in ihrem Land.

Kroatien vor dem EU-Beitritt: Auftakt zum Festival der kroatischen Kultur „Kroatien Kreativ 2013″
Datum: 14. März, 11:00 – 12:00 Uhr
Veranstalter: Traduki
Aus dem Programm: Die Leipziger Buchmesse ist seit Jahren ein Ort, an dem sich nicht nur die kroatische Literatur, sondern auch das Land Kroatien als eine spannende Kulturlandschaft präsentiert. Deshalb hat das Festival-Team „Kroatien Kreativ 2013″ die diesjährige Leipziger Buchmesse gewählt, um hier das bevorstehende kroatische Kulturjahr in Deutschland anzukündigen.

ÜBER GRENZEN SPRECHEN – Internationaler Dramenwettbewerb für Osteuropa des Österreichischen Außenministeriums; UKRAINE 2012
Datum: 14. März, 12:00 – 13.00 Uhr
Aus dem Programm: Der Dramenwettbewerb entstand 2005 aus der Idee heraus, die Situation der unweit von Österreich beheimateten Menschen in Osteuropa besser kennen zu lernen und zwar über ihre zeitgenössischen, künstlerischen Leistungen. Das Projekt entspricht somit einer Einladung zu Gedankenaustausch, Dialog und Begegnung.

Mit Tempo und Esprit erzählt: Junge Autoren aus Ungarn
Datum: 4. März 2013, 13:00 – 14:00 Uhr
AutorInnen:
Zsolt Koppány-Nagy, Ildikó Noémi Nagy
Aus dem Programm: Aus Vancouver über Budapest und Tîrgu Mureṣ nach Stuttgart: Junge Autoren im Gespräch. Lesung und Gespräch mit zwei jungen AutorInnen aus Ungarn.

Dreimal Kindheit im Süden Europas: Romanautorinnen aus Kroatien, Albanien und Montenegro lesen und erzählen
Datum: 14. März 2013, 13:00 – 14:00 Uhr
Autorinnen: Lindita Arapi, Ksenija Popović, Mascha Dabić, Maša Kolanović
Aus dem Programm: Schlüsselmädchen und andere Kinder – Kindheitserfahrungen werden zu beeindruckender Literatur.

Esti
Datum:
14. März 2013 | 13:00 – 13:30 Uhr
Autor: Péter Esterházy
Aus dem Programm: Esterházy stellt auf der Leipziger Buchmesse sein neuen Buch vor. Wie in seinem gefeierten Roman „Harmonia Caelestis“ spielt Péter Esterházy mit der Identität und treibt sein Spiel hier auf die Spitze. Er wird zu Kornél Esti, dem charmantesten Romanhelden der Literatur aus Ungarn, einer Erfindung des großen Schriftstellers Dezsö Kosztolányi.

tranzyt. Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus
Datum: 14. März – 17. März
Themenschwerpunkt der Leipziger Buchmesse 2013: Veranstaltungsübersicht
Aus dem Programm: Die Programmreihe „tranzyt.Literatur aus Polen, der Ukraine und Belarus“ zeigt die literarische Vielfalt entlang der EU-Ostgrenze. Mit dem dreijährigen Programmschwerpunkt folgt die Leipziger Buchmesse weiter ihrer generellen Zielstellung, neue, interessante Autoren aus der Region Mittel- und Osteuropa einem breiteren Publikum vorzustellen und ihre Veröffentlichung bei deutschsprachigen Verlagen zu befördern. Denn alle drei Länder haben eine reiche Literaturszene mit exzellenten Autoren, die es lohnt, einer breiteren Öffentlichkeit hierzulande vorzustellen.

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scriba-Autorin des Monats Februar

Sie heißt Nikola Hotel, liebt Prag und Musik von Rachmaninov, holt sich durch den Wald laufend Inspiration und nennt sich auf ihrem Autoren-Blog selbst „Blauträumerin“. Wenn sie nicht gerade liest, dann schreibt sie, und das einfach fabelhaft. Im scriba-Interview stellt die Autorin nun ihren Debütroman „Rabenblut drängt“ vor. 

Nikola Hotel
Nikola Hotel

scriba: Eher zufällig sind wir auf das E-Book „Rabenblut drängt“ gestoßen, haben aber bereits nach ziemlich kurzer Zeit bemerkt, was für einen außergewöhnlichen Lese-Schatz wir in Händen halten. Wie kann es sein, dass die deutsche Verlagswelt das noch nicht gemerkt hat?

Nikola Hotel: Vielen Dank erst einmal für diese nette Einschätzung! Die deutsche Verlagswelt wartet leider nicht auf junge, unbekannte Autoren. Ich habe meinen Roman natürlich auch den großen Verlagen angeboten, aber meist nicht einmal eine Absage erhalten. Zwar gab es nach der Veröffentlichung Interesse von kleinen Verlagen, aber die waren wiederum für mich nicht interessant. Der Weg, direkt über die Verlage zu gehen, hat sich also als falsch herausgestellt. Ich würde deshalb immer empfehlen, sich an eine Agentur zu wenden. Für mich persönlich hoffe ich aber, dass nach oben hin noch alles offen ist.

scriba: Neben der Liebe zur Natur und der Musik bestimmt vor allem auch eine große Portion Humor dein Romandebüt. Würdest du sagen, dass diese Motive auch deinen eigenen Charakter auszeichnen?

Nikola Hotel: Das ist eine schöne Frage, weil mein Liebster immer behauptet, ich hätte gar keinen Humor. Auf weitere Nachfragen musste er aber zugeben, dass ich sehr wohl Humor besitze, nur eben keinen »kölschen«. Das ist fürs Rheinland ungewöhnlich, muss aber an meiner österreichischen Mutter liegen. Ich neige eher zur Melancholie. Seltsamerweise bringen mich aber gerade Bücher zum Lachen. Das geht so weit, dass ich meine Familie nachts mit Gelächter aufwecke, weil ich noch lese. Humor finde ich in meinen Kindern wieder, den Tieren (man beobachte nur mal die Vögel am Futterhäuschen) und in der Musik. Ja, auch Musik kann mich zum Lachen bringen. Zum Beispiel, wenn David Fray ganz verspielt Bach interpretiert.

scriba: Wie sieht es mit dem biographischen Anteil in der Rabenblut-Saga aus? Haben deine Figuren reale Vorbilder?

Nikola Hotel: Es gibt einige Künstler, die mich inspiriert haben, so z. B. Maksim Mrvica, der für Alexej Pate stehen könnte, oder David Garrett für den Charakter des Nikolaus. Dann zog ich viele Ideen aus Biographien über den böhmischen Adel. Allen voran Karl Fürst zu Schwarzenberg, amtierender Außenminister Tschechiens und in diesem Jahr leider unterlegener Präsidentschaftskandidat. Seine Lebensgeschichte bietet genug Stoff für mehrere Romane.

scriba: Wie ist das Feedback der Leser zu deinem Debüt-Roman? Gibt es mittlerweile so was wie eine „Rabenblut-Fangemeinschaft“?

Nikola Hotel: Es erreichen mich sehr viele E-Mails von Lesern, die auf eine Fortsetzung warten und mir erzählen, dass ich sie zum Träumen brachte. Das ist ein großes Kompliment, und ich bemühe mich, alle Nachrichten persönlich und zeitnah zu beantworten. Auch die Rezensionen von Buchbloggern sind ausschließlich positiv. Von einer richtigen Fangemeinde traue ich mich aber noch nicht zu sprechen. So etwas entwickelt sich vielleicht, wenn es weitere Bände geben wird.

scriba: Was für ein Schreibtyp bist du? Eher der Typ Autor mit festem Konzept, der die Geschichte von Anfang bis Ende durchplant oder der intuitive Schreiber, der anfangs nur einen vagen Handlungsverlauf im Kopf hat?

Nikola Hotel: Ich schreibe (leider) einfach drauflos und habe kein ausgefeiltes Gerüst, an dem ich mich entlanghangeln könnte. Das ist meist ein Fehler, weil man hängen bleibt. Aber es gibt mir auch die nötige Freiheit, meinen Charakteren ihren Willen zu lassen. Sie haben definitiv das Zepter in der Hand. Trotzdem habe ich einige Schlüsselszenen fertig im Kopf. Das Ende ist für mich also schon zu Beginn völlig klar, und das ist ein Ziel, dem ich entgegenfiebere. Ich möchte nicht alles durchplanen, sondern mich auch noch von der Geschichte, den Personen überraschen lassen.

scriba: Wie lange hast du an Alexejs und Isabeaus Geschichte geschrieben? Musstest du viele Szenen nachträglich wieder umschreiben, überarbeiten oder streichen?

Nikola Hotel: Die ursprüngliche Fassung von über 700 Seiten hatte ich exzessiv in vier Monaten geschrieben. Aber danach folgten viele Monate der Überarbeitung. Das bedeutete kürzen, kürzen, kürzen. Szenen umschreiben musste ich nicht, sondern  hauptsächlich am Stil feilen. Es wurde also keine einzige Szene komplett gestrichen. Insgesamt dauerte es (vom ersten Entwurf bis zur Veröffentlichung) drei Jahre. Allerdings mit Unterbrechungen, bei denen ich an anderen Projekten arbeitete.

scriba: Du hast „Rabenblut drängt“ in der Ich-Perspektive verfassst, jedoch im Wechsel aus der Sicht der beiden Hauptfiguren – was eher ungewöhnlich ist. Warum hast du dich für diese besondere Technik entschieden?

Nikola Hotel: Mich reizte es, die Unterschiede in der Wahrnehmung darzustellen. Alexej ist ein sehr sinnlicher Charakter und Isabeau eher pragmatisch. Sie haben ganz verschiedene Erzählstimmen. Auch fand ich es spannend, wie sich das, was man sagt und das, was man denkt, doch unterscheidet. Dazu kommt noch, dass ich mich in meine Helden immer rettungslos verliebe und ihnen so eben besonders nahe komme.

scriba: In diesem Zusammenhang ist auch interessant: Wer ist deine persönliche Lieblingsfigur?

Nikola Hotel: Das wechselt im Laufe des Schreibprozesses. Zu Beginn war es natürlich der Held Alexej. Meine liebsten Szenen waren seine Dialoge und Streitgespräche mit Nikolaus oder seiner Großmutter, genannt „der General“. Mittlerweile ist es Sergius, der zwar auch zu den „Guten“ gehört, aber ein sehr zerrissener und manchmal auch grausamer Charakter ist. Er ist für mich die spannendste Persönlichkeit, weil er ungehobelt ist, ehrgeizig, lüstern, ungesund, gemein, manchmal aber auch müde, verloren und verletzt. Er bringt mein Schreiberherz zum Glühen.

scriba: Nehmen wir mal an, deine Buchreihe würde verfilmt: Wer sollten dann die Hauptdarsteller sein?

Nikola Hotel: Am schönsten wäre die Vorstellung, wenn jeder Charakter aus dem Buch mit einem Schauspieler besetzt würde, der aus dem jeweiligen Land kommt. Rabenblut drängt ist ein europäisches Buch. Die Protagonisten kommen aus Tschechien, Ungarn, Polen, Österreich, Russland und Deutschland. Sie auch genau so dargestellt zu wissen, wäre mein Traum, wenn auch kein populärer. Denn Osteuropa gehört leider nicht zu den Lieblingsschauplätzen der Deutschen.

scriba: Zu guter Letzt noch die Frage, die uns alle brennend interessiert: Wie geht es mit der Rabenblut-Saga weiter? Wann dürfen wir uns auf die Fortsetzung von Alexejs und Isabeaus Geschichte freuen?

Nikola Hotel: Meine ursprüngliche Aussage, dass es noch im Frühjahr erscheint, muss ich leider revidieren. Ich brauchte einfach eine kleine Pause und schreibe zur Entspannung an einer Komödie. Danach werde ich aber meine ganze Kraft wieder in die Rabenwelt stecken. Verraten kann ich aber so viel, dass Sergius eine viel größere Rolle einnehmen wird und es rabenblütigen Nachwuchs gibt. Bis dahin kann ich aber den Lesern anbieten, sich auf rabenblut.com umzusehen. Dort findet man alles über die Saga und erfährt die Neuigkeiten zuerst.

Die gesamte scriba-Redaktion dankt Nikola Hotel herzlich für das interessante Interview! Hier könnt ihr die Rezension zu „Rabenblut drängt“, dem Auftaktroman der Rabenblut-Saga, lesen.

 

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Neuerscheinungen: „Dark Destiny“ von Jennifer Benkau und „Der Weg der gefallenen Sterne“ von Caragh O’Brien

Mittlerweile kann man die Tage zählen, bis die Fortsetzungen von Jennifer Benkaus‘ und Caragh O’Briens Jugendromanen erscheinen – zwei Dystopien die ich wärmstens empfehlen kann und ihr auch unbedingt lesen solltet!

Jennifer Benkau hat mit ihrer Dystopie „Dark Canopy“ einen fulminanten Auftakt geliefert. Noch immer läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn ich an das Ende des Romans denke! Die große Frage lautet: Haben Joy und Neel eine Zukunft? Überlebt er die Folter „Licht“? Eigentlich unmöglich, wenn man sich das verzweifelte Ende von Dark Canopy in Erinnerung ruft! Doch die Geschichte um Neel und Joy kann noch nicht enden – das sagt mit zumindest mein Bauchgefühl… Denn oftmals – so hoffe ich – entwickeln sich die Dinge anders, als sie scheinen! Im März, wenn Dark Destiny erscheint, werde ich euch hier schnellstmöglich berichten.

Jennifer Benkau: Dark Destiny
Sript 5
Erscheinungsdatum: 18. März 2013
464 Seiten, 15.0 x 22.0 cm
ISBN 978-3-8390-0145-5
Hardcover : 18,95 €

Inhaltsangabe:
Hilflos musste Joy mit ansehen, wie Neél von ihren eigenen Leuten gefangen genommen und gefoltert wurde. Ihre große Liebe, all ihre Hoffnungen und Zukunftspläne zersplittern zu einem Scherbenhaufen, als sie schließlich von Neéls Tod erfährt. Trotz ihrer unendlichen Trauer fasst Joy einen folgenschweren Entschluss: Sie will nicht länger zu Matthials Clan gehören. Also macht sie sich allein und schlecht ausgerüstet auf den Weg durch Bomberland und von feindlichen Clans besetztes Gebiet. Es ist eine Suche nach Antworten: Wie starb Neél? Und warum? Doch es ist auch eine Suche, an deren Ende Hoffnung steht. Hoffnung auf eine zweite Chance. Dark Destiny ist der letzte von zwei Bänden. Der Titel des ersten Bandes lautet Dark Canopy .

Und auch bei Caragh O’Briens Fortsetzung um die Hebamme Gaia wird es spannend. Anders als bei Dark Destiny erscheint mit „Der Weg der gefallenen Sterne“ bereits der letzte Teil der Trilogie! Allerdings ist hier Vorsicht angesagt: Auch wenn ich den ersten Teil „Die Stadt der verschwundenen Kinder“ aufgesogen habe und der zweite Teil „Die Stadt der verschwunden Kinder“ auch durchaus lesenswert war (Allerdings konnte er das hohe Niveau leider nicht halten), bin ich skeptisch, was Teil 3 „Der Weg der gefallenen Sterne“ angeht. Den Rezensionen der englischen Ausgabe „Prized“, die bereits im Oktober 2012 erschienen ist, lässt sich unglaubliches vernehmen: Wird Gaia – so wie die Leser ihren Eindruck schildern – gar selbst zur Despotin? Und was wird aus Leon, ihrem Geliebten? Stimmt es, dass er sein Leben verliert?

Caragh O’Brien: Der Weg der gefallenen Sterne
Erscheinungsdatum: 1. April 2013
Heyne Velag
ISBN-10: 345326743
ISBN-13: 978-3453267435

Inhaltsangabe:

Die junge Gaia Stone ist Hebamme. Doch in einer zerstörten Welt kann auch sie den verlorenen Kindern nicht mehr helfen, und so trifft Gaia eine schwere Entscheidung. Gemeinsam mit einer Gruppe junger Siedler verlässt sie das Ödland, um zur Stadt hinter der Mauer zurückzukehren und um Hilfe zu bitten. Werden sie die gefährliche Reise überstehen? Und wird sich Gaias Hoffnung auf eine bessere Zukunft endlich erfüllen?

Gerade hat Gaia in der Siedlung Sylum eine neue Heimat gefunden, da steht sie schon wieder vor großen Veränderungen. Denn die Menschen von Sylum leiden an einer sonderbaren Krankheit: Sie können den Ort nur um wenige Meilen verlassen, bevor sie lebensgefährliche Schwächeanfälle erleiden. Ein Hinweis in den Aufzeichnungen ihrer Großmutter zeigt Gaia jedoch, wie sie dieser großen Gefahr entfliehen können. Und so begibt sie sich mit einer Gruppe Siedler auf die gefährliche Reise zurück zu dem Ort, dem sie einst entflohen ist – der Enklave, der Stadt hinter der Mauer. Weder die junge Gaia noch ihre Gefährten wissen, was sie dort erwartet …

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Autor des Monats Januar

Lepold von Sacher-Masoch: Von „Venus im Pelz“ zum Masochismus

Leopold von Sacher-Masoch

Unterwerfung und Erniedrigung – zwei Worte, die gemeinhin negativ konnotiert sind, setzten sie doch Gewalt und mangelnde Gleichberechtigung zwischen zwei Personen voraus; zwei Worte die überraschenderweise dennoch Abertausende von Menschen faszinieren, denkt man an den Welterfolg „Fifty Shades of Grey“ von E L Lewis. Denn unbestritten ist die Gleichung „dominanter (und natürlich schöner und reicher) Mann sucht sexuelle Triebbefriedigung in einer Beziehung mit einer vermeintlich devoten Sklavin (natürlich schön und in diesem Fall Jungfrau)“ Grund dafür, dass der knapp 2000 Seiten starke Dreiteiler massenhaft gelesen und bejubelt wird. Die schriftstellerische Leistung von E L Lewis ist es wohl kaum. Das bestätigen die glühenden Leserinnen selbst, wie ein kurzer Blick auf die unzähligen sich im Netz tummelnden Rezensionen zeigt: Von geringem Wortschatz ist da die Rede, immer gleichen Phrasen, ermüdenden Wiederholungen – kurzum, von einer schriftstellerisch ungenügenden Leistung. Doch dennoch können die Leserinnen nicht von Christian Grey, dem Dom und seiner Sub lassen, verzeihen in Anbetracht des delikaten Themas stilistische Einfältigkeit, bis sie atemlos am Ende angekommen und dann auf einmal doch murren über die allzu oberflächliche Lektüre.

Dies alles verwundert, ist doch der Stoff, dem E L Lewis sich bedient nicht neu. Ironischerweise verdankt der Masochismus seinem Namen einem überaus produktiven Schriftsteller, für den die literarische Darstellung gewalterotischer Beziehungen im Gegensatz zu Lewis den Anfang vom Ende seines schriftstellerischen Ruhms bedeutete.

Statue Sacher-Masochs in Lviv, Ukraine

Über 80 Romane und 100 Novellen hat Leopold Ritter Graf von Sacher-Masoch (1836-1895) verfasst und war seinerzeit viel beachtet – auch von Kollegen wie Victor Hugo oder Hendrik Ibsen. Sacher-Masoch war einer der ersten, der das Judentum in Galizien realistisch gezeichnet hat. Seine galizischen Geschichten bescherten ihm sogar den Beinamen „Turgenjew Kleinrußlands„. Auch durchaus provokante Forderungen werden Sacher-Masoch zugeschrieben. So sei die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nur möglich, wenn beide Geschlechter Seite an Seite arbeiten. Eheglück sei also davon abhängig, dass der Landadel den Frauen Arbeitschancen einräumt – ein Gedanke der im Kreise der Feudalherren undenkbar war.

„Daß das Weib, wie es die Natur geschaffen und wie es der Mann gegenwärtig heranzieht, sein Feind ist und nur seine Sklavin oder seine Despotin sein kann, nie aber seine Gefährtin. Dies wird sie erst dann sein können, wenn sie ihm gleich steht an Rechten, wenn sie ihm ebenbürtig ist durch Bildung und Arbeit.“ (Venus im Pelz)

Ohne diesen Schritt können – so Sacher-Masoch – Männer und Frauen nur eines füreinander sein: „Hammer oder Amboss“. Hier sind wir angelangt bei der Novelle, die seine Popularität in der Gegenwart begründet und ihn (unfreiwillig) in die Geschichte eingehen ließ: „Venus im Pelz“, das Werk, in dem Sacher-Masoch den Kampf der Geschlechter in der Liebe beschreibt.

Severin, sein Titelheld, geht eine Beziehung als Sklave mit Gräfin Wanda von Dunajw ein – literarischer Stoff, der uns in Zeiten von „Shades of Grey“ mehr als vertraut ist. Damals wie heute erregte die unkonventionelle (Gewalt-)erotische Beziehung immenses Aufsehen – nur dass sie für Lewis den Aufstieg und für Sacher-Masoch den langsamen Abstieg bedeutete.

Grund dafür war nicht allein die harsche Reaktion der Literaturkritik („häßlich, widerwärtig, unnatürlich, unwahr“, Zeitschrift: Der Salon), sondern dass der Name Sacher-Masoch unwiderbringlich auf Gewalterotik festgelegt wurde. Der Umstand, dass Leopold von Sacher-Masoch als erster Literat das Erleiden von Schmerz mit Lust verband, lies nämlich 1890 den Wiener Sexualforscher Richard von Krafft-Ebbing in Analogie zu dem bereits bekannten Terminus „Sadismus“ den Begriff „Masochismus“ einführen.

„Anlass und Berechtigung, diese sexuelle Anomalie ‚Masochismus“ zu nennen, ergab sich mir daraus, dass der Schriftsteller Sacher-Masoch in seinen Romanen und Novellen diese wissenschaftlich damals noch gar nicht gekannte Perversion zum Gegenstand seiner Darstellungen überaus häufig gemacht hatte. […] In den letzten Jahren wurden mir übrigens Beweise dafür beigebracht, dass Sacher-Masoch nicht bloss der Dichter des Masochismus gewesen, sondern selbst mit der in Rede stehenden Anomalie behaftet gewesen sei. (Krafft-Ebbing, Psychopathia sexualis)

Bela B. und Catherine Flemming nahmen "Venus im Pelz" als Hörbuch auf.

Sacher-Masoch kämpfte gegen diese Begrifflichkeit an, wollte er sein Werk doch nicht allein auf diesen einen Aspekt reduziert sehen – jedoch vergeblich: Leopold von Sacher-Masoch, noch Jahre zuvor einer der meist gelesenen deutschsprachigen Schriftsteller, verschwand in der Versenkung. Erst nach seinem Tod rückte der Autor immer wieder ins Interesse der Öffentlichkeit, das aber weniger aufgrund literarischer Aspekte. Vielmehr stand die Person Sacher-Masoch im Fokus, die Pate wurde für eine Variante des sexuellen Erlebens, bei der die volle sexuelle Befriedigung mit dem Erleiden von Demütigung oder Schmerz einhergeht. Heute ist der Namensgeber des Masochismus weitegehend vergessen. Die Faszination der Gewalterotik in der Literatur erlebt dagegen spätestens seit E L Lewis „Fifty Shades of Grey“ einen neuen Boom, nur dass die Schriftstellerin knapp 150 Jahre nach „Venus im Pelz“ Kapital daraus zu schlagen weiß.

Leseprobe Venus im Pelz

„Venus im Pelz“ inspirierte die Band Velvet Underground zu dem Song „Venus in Furs“, der 1967 erschien:

Kurzbiographie und Bibliographie von Lepold von Sacher-Masoch

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Neue Kurzgeschichte: Auf leisen Pfoten durch Amsterdam

Jungautoren schreiben:

Zum Beispiel darüber, wie aufregend es ist bei einer nächtlichen Streiftour auf leisen Pfoten Amsterdam zu entdecken. Katzen faszinieren uns. Doch wie nehmen die anmutigen Jäger eigentlich uns wahr?

Jetzt die neue Kurzgeschichte von Asmodean lesen!!!

Neue Kurzgeschichte: Auf leisen Pfoten durch Amsterdam weiterlesen

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Autorin des Monats Oktober

Erin Hunter mit Warrior Cats

Warrior Cats„Warrior Cats“ – so heißt die Buchreihe um vier Katzenclans unserer Oktober-Autorin Erin Hunter, die weltweit nicht nur in aller Munde, sondern bereits mehr als 10 Millionen mal über den Ladentisch gegangen ist.  Korrekterweise müsste die Rubrik dieses Mal jedoch „Autorinnen des Monats“ heißen. Denn hinter dem Namen Erin Hunter verbirgt sich ein ganzes Schriftsteller-Quartett. Das Pseudonym ausgedacht hat sich Viktoria Holmes, der kreative Kopf und Chef der Gruppe. Sie alleine entwirft die Handlung, schreibt sie nieder und gibt die Geschichten ihrem Team zur Ausformulierung. So ist die Katzen-Serie eigentlich der Erfolg der Britin, die nur aus einem pragmatischen Grund die Romane nicht komplett selbst verfasst: schlichtweg Zeitmangel.

Viktoria Holmes ist nämlich nicht nur Autorin, sondern auch vielbeschäftigte Lektorin. Und weil auch etwas von einer Geschäftsfrau in ihr schlummerte, hat sie kurzerhand mit Kate Cary, Cherith Baldry und Tui Sutherland andere Texter engagiert, um zu garantieren, dass ihre Bücher in atemberaubenden Abstand erscheinen.

Viktoria HolmesEine neue Art des Schreibens also ist es, was unter dem Künstlernamen Erin Hunter zelebriert wird. Vielleicht ein klein wenig leidenschaftsloser, als es üblicherweise bei Vertretern dieser Zunft der Fall ist, dafür aber umso mehr ziel- bzw. publikumsorientiert. Denn Viktoria Holmes selbst – die Erfinderin der Katzen-Reihe – ist allergisch gegen die Haare der Vierbeiner und mag eigentlich lieber Hunde, Pferde und Otter. Selbst hätte die Britin kaum Wildkatzen zum Thema gewählt, der Verlag wollte es so. Vielmehr sei es ihr Antrieb über Sachen zu schreiben, die sie bewegen: „Mobbing, Vorurteile, Altern, Rassismus. Ob das dann Katzen sind, die die Dinge erleben, ist nicht so wichtig.“

Ob die Warrior-Cats-Fangemeinde das genauso sieht, sei dahin gestellt. Das Konzept von Viktoria Holmes  jedenfalls geht auf: Inzwischen ist das Autorenteam bei der dritten Reihe um die Wildkatzen angekommen, die Bände bereits in 27 Sprachen übersetzt. Wie lange das Quartett jedoch noch bestehen bleibt, ist dennoch ungewiss: Die Katzenclan-Schöpferin sieht ihre Zukunft nicht unbedingt in der Schriftstellerei; diese sei nur ein Schritt auf ihrem Weg, nicht das Ziel.

Aktuell kann sich die Erin-Hunter-Lesergemeinde erst einmal entspannt zurücklehnen und genießen: Im November erscheint unter dem Titel „Fluss der Finternis“ der 2. Band der dritten Reihe.

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Autor des Monats September

John Green – „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“: „Krebsbücher sind doof“

© Peter Andreas Hassiepen, Hanser Verlag

Sie sind übersinnlich, unbesiegbar und manchmal gar übermenschlich – die gefeierten Stars der Jugendliteratur. Mittlerweile sind sie aber auch ein wenig langweilig – denn, seien wir ehrlich – es lässt uns doch stutzen, wenn nicht wie in den 100 gelesenen Büchern zuvor – ein Blutsauger sein Unwesen treibt oder ein Engel vom Himmel herabsteigt. Das hat sich wohl auch John Green gedacht und ein radikal anderes Modell für seinen neuen Jugendroman gewählt: John Greens Stars sind weder übersinnlich, noch unbesiegbar – im Gegenteil: sie sind dem Tod geweiht: Hazel und Gus haben beide Krebs, sind tickende Zeitbomben, wie sie es nennen. Falsches Mitleid ist ihnen zuwider, schließlich sind sie ganz normale Jugendliche – die sich eben nicht auf einer Party, sondern zwischen Chemotherapie und Krankenhausbett kennengelernt haben.

Dieses unkonventionelle Plot schlägt ein: Erst seit Juli ist John Greens Buch „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ in Deutschland zu haben, doch schon wird es in den Feuilletons der Republik gefeiert. Und das aus unserer Sicht zurecht: „Ich wollte unbedingt ein Buch schreiben, das Hoffnung gibt, kein doofes Krebsbuch„, sagt Green. „Meine Helden suchen nach einer ehrlichen Hoffnung, die sie wirklich aufrecht hält. Meine Meinung: All diese sentimentalen Krebsgeschichten helfen doch keinem am Ende.“  So zeigt John Green die Liebe und Innigkeit der kranken Jugendlichen, lässt sie weinen aber auch lachen und schafft es damit, eine tragische Geschichte zart, aber vor allem humorvoll zu erzählen!

Doch wer ist dieser John Green überhaupt?  In den USA wird er kultisch und nicht nur als Jugendbuchautor gefeiert.  Dort ist er als Internet-Blogger und Youtube-Star bekannt, dem mehr als eine Millionen Menschen folgen: Und komisch ist dieser John Green auch: Als bekannt wurde, dass „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ in den USA erscheint, versprach Green alle Exemplare der Erstausgabe zu signieren: Sofort bestellten 150.000 Leser das Buch und John Green hielt Wort.

Rezension lesen

John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Erscheinungsdatum:
30.07.2012
Verlag
: Hanser
ISBN:
978-3-446-24009-4
Fester Einband
, 288 Seiten

 

 

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scriba-Autor des Monats Juli

Michael Zandt – im scriba-Interview stellt der Autor seinen brandneuen Roman „Das schwarze Kollektiv“ vor 

scriba: Mit „Das schwarze Kollektiv“ erscheint noch diesen Monat die Fortsetzung zu deinem Debütroman „Hapu – Teufel im Leib“. Was uns bei der Vorankündigung sehr überrascht hat: Mit Ariko ist nicht Hapu selbst, sondern ein männlicher Protagonist im Zentrum der Handlung. Warum das?

Michael Zandt: „Das Schwarze Kollektiv“ wird aus einer Perspektive heraus erzählt, die Hapu nicht einnehmen kann.  Während Hapus Handeln oft (nicht immer) ein egoistisches Motiv zugrunde liegt, dient Ariko Idealen. Er glaubt an das Schicksal, die Liebe und die Existenz eines göttlichen Plans.

scriba: Was unterscheidet den Roman noch von seinem Vorgänger? Gibt es wieder viel Action oder ist dieses Mal mehr Platz für leisere Töne, wie z.B. eine Liebesgeschichte?

Michael Zandt: Die Beziehung Arikos zu der Kriegerin Lamis’jala steht im Mittelpunkt des Buches. Eine Liebe zwischen Traum und Albtraum.

scriba: War die Fortsetzung von Anfang an geplant oder hat dich erst die positive Resonanz auf „Hapu“ dazu bewogen, weiterzuschreiben? In diesem Zusammenhang ist es auch interessant zu wissen, wie das Feedback der Leser ist? Gibt es mittlerweile so was wie eine „Hapu-Fangemeinschaft“?

Michael Zandt: Die Geschichte war tatsächlich so geplant, wie sie jetzt veröffentlicht wird. Der Ehrlichkeit halber will ich aber zugeben, dass ich zwischenzeitlich versucht war, diesen Plan zu ändern und direkt mit Hapu weiter zu machen. Heute bin ich froh, dass ich das nicht getan habe. Ich bekomme immer wieder nette Briefe was Hapu angeht. Einige sehr nette sogar, wobei ich nicht verschweigen möchte, dass es auch Leute gibt die glauben, dass Hapu ein so abscheuliches Wesen ist, dass sie eigentlich nie ihren Weg zwischen zwei Buchdeckel hätte finden dürfen. Aber das ist ok. Eine Meinung ist eine Meinung und jeder soll seine eigene haben.

scriba: „Das schwarze Kollektiv“ erscheint gerade mal acht Monate nach deinem Debütroman – eine ziemlich kurze Zeit, wie wir finden. Bist du mittlerweile Vollzeitschriftsteller?

Michael Zandt: „Vollzeitschriftsteller?“ Möchtest Du, dass ich mich von Quellwasser und Wurzeln ernähre? *lach* Nein, ich gehe „nebenbei“ noch einem Beruf nach. Die Erklärung für den relativ rasch erscheinenden Nachfolger ist die, dass ich mit der Arbeit an „Das Schwarze Kollektiv“ bereits begonnen hatte, noch bevor für „Hapu“ ein Verlag gefunden war.

scriba: Was für ein Schreibtyp bist du? Eher der Typ Autor mit festem Konzept, der die Geschichte von Anfang bis Ende durchplant oder der intuitive Schreiber, der anfangs nur einen vagen Handlungsverlauf im Kopf hat?

Michael Zandt: Unterschiedlich. Während Hapu von Anfang an starken Einfluss auf „ihre“ Geschichte genommen hat, ist es mir beim „Kollektiv“ leichter gefallen, dem vorgesehenen Handlungsstrang zu folgen. Grundsätzlich denke ich, dass man den Mut haben sollte den eingeschlagenen Kurs zu ändern, wenn sich zeigt, dass er in eine erzählerische Sackgasse führt.

scriba: Wie bist du bei deinem Verlag gelandet? Hattest du Hilfe durch eine Agentur oder musstest du dein Manuskript an viele Häuser schicken?

Michael Zandt: Eine Textprobe von „Hapu“ habe ich an eine auf unterhaltende Belletristik spezialisierte deutsche Literaturagentur gesandt. Die Absage der beiden Damen bekam ich noch am selben Tag. Danach habe ich mein Glück bei einem Publikumsverlag versucht. Der zuständige Lektor dort war so freundlich mir auf knapp zwei Seiten auseinanderzusetzen, warum ein zweifelhafter Charakter wie Hapu auf dem Buchmarkt keine Chance hat.
Kleinere Verlage waren aber glücklicherweise für „Hapu – Teufel im Leib“ zu interessieren. Nach einigen Irrungen und Wirrungen (ein Verlag hat über Nacht alle neuen Projekte eingestellt, ein anderer ging Pleite) kam meine schwierige Schwäbin schließlich bei Candela unter.
Anders als „Hapu“, wird das „Kollektiv“ übrigens nicht mehr bei Candela, sondern beim Art Skript Phantastik Verlag erscheinen. Ich bin dem Candela-Verlag für die gewährte Unterstützung dankbar, habe mich aber von dem Konzept einer Verlegerin überzeugen lassen, die sich ganz auf die deutschsprachige Phantastik konzentrieren möchte.

scriba: Warum hast du dich sowohl bei „Hapu“ als auch bei „Das schwarze Kollektiv“ für die Ich-Perspektive entschieden, die man heute nicht mehr so oft findet?

Michael Zandt: Eine Geschichte aus der Sicht des allwissenden Erzählers heraus zu entwickeln, hat ein paar unbestreitbare Vorzüge. Eine davon ist, dass der Leser sich auf die Objektivität dessen was er liest, verlassen kann. Diese Verlässlichkeit aber wollte ich nicht bieten. Gerade Ariko gibt dem Leser ab und zu Gelegenheit sich zu fragen, ob der Junge Dinge so sieht wie sie wirklich sind, oder vielleicht doch eher so, wie er sie gerne haben möchte.

scriba: Nehmen wir mal an, deine Buchreihe würde verfilmt: Wer sollten dann die Hauptdarsteller sein?

Hapu-CoverMichael Zandt: Wenn ich eine ernste Antwort auf Deine Frage geben möchte (und ich bin gerade genau in der richtigen Stimmung das zu tun), dann muss ich gestehen, dass es mir nicht leicht fallen würde Filmrechte zu vergeben. Hollywood scheidet aus. Der Gedanke, Hapu in ein amerikanisches Kaff verpflanzt zu sehen, bereitet mir Übelkeit.
Und was das deutsche Kino angeht, da verhält es sich ähnlich wie mit der hiesigen Literaturszene. Man flaniert zwar gerne auf dem roten Teppich und verleiht sich ständig irgendwelche Preise, was über die internationale Bedeutungslosigkeit aber nicht hinwegtäuschen kann. In London, Rom oder Paris käme kein Mensch auf die Idee in einen deutschen Film zu gehen. Völlig zu Recht. Diesen Betroffenheits- und/oder Komödienscheiß braucht kein Mensch. Und außerdem: Ich habe Moritz Bleibtreu bereits in „Soul Kitchen“, in „Der Baader Meinhof Komplex“ und in „Goethe“ ertragen. Ich finde das reicht.

scriba: „Hapu“ war nicht deine erste Veröffentlichung, sondern du wurdest 2011 bereits in der Kategorie „Beste deutschsprachige Kurzgeschichte“ für den Deutschen Phantastik Preis nominiert. Seit wann schreibst du? Und haben deine Geschichten schon immer ein Fantasy-Setting?

Michael Zandt: Ich habe erst relativ spät damit begonnen, meine Freizeit dem Schreiben zu widmen. Ich denke, das war so um die Jahreswende 2006/07. Nein, zwingend ein phantastisches Setting brauchen meine Geschichten nicht. Allerdings … warum sollte ich auf die Macht des Unglaublichen verzichten? Das haben weder Goethe noch Kafka noch  Jünger getan. Was ich damit sagen will: Es gibt eine phantastische Tradition in der deutschen Literatur.

scriba: Wie schaut es mit dem biographischen Anteil in deinen Büchern aus? Haben deine Figuren reale Vorbilder und wie kommst du auf deine doch sehr kreativen Namen?

Michael Zandt: Hier und da leiste ich mir tatsächlich einen kleinen Rückgriff in die eigene Biographie. Aber ich denke, das aufzuschlüsseln, wäre eher langweilig. Ach, ein kleines Beispiel erzähle ich euch doch: Hapu erinnert sich einmal daran, dass ihre Bewerbungsunterlagen mit dem Vermerk „Erfüllt die Einstellungsvoraussetzungen nicht“ aus dem Rathaus ihres Heimatortes zurück kamen. Im „wahren Leben“ ist das natürlich nicht ihr, sondern ihrem Schöpfer passiert.
Die „kreativen Namen“ in Hapu entstammen der (realen) Mythenwelt des alten Ägypten, oder der (fiktiven) der Asartu. Wie ich darauf komme? Nun, ich habe mir ein kleines „System“ zurechtgelegt und den Rest hat allein der „Klang“ entschieden.

scriba: In diesem Zusammenhang ist auch interessant: Wer ist deine persönliche Lieblingsfigur?

Michael Zandt: Das ist wie mit Kindern. Wenn es diese Lieblingsfigur gäbe, dann würde ich nicht sagen, dass es sie gibt.

scriba: Wie lange schreibst du durchschnittlich an deinen Büchern? Musst du viele Szenen nachträglich wieder umschreiben, überarbeiten oder streichen?

Michael Zandt: Wenn ich die Erfahrung meiner bisherigen beiden Bücher zugrunde lege, würde ich sagen, dass ich von der Idee bis zum fertigen Buch etwa ein Jahr brauche. Kaum eine Zeile, die ich in dieser Zeit nicht einmal ergänzen, ändern oder eben streichen würde.

scriba: Wie kommst du überhaupt auf deine Geschichten? Woher holst du dir Inspiration? Ist es der schnelle Geistesblitz oder doch eher ein langer Denkprozess, bis die Idee für ein Buch steht?

Michael Zandt: Das ist bei mir vermutlich nicht anders, als bei den meisten anderen Autoren auch. Ich beziehe meine Inspiration aus Bildern, Büchern, Filmen … oder auch einfach aus dem, was ich den Tag über sehe. Ein hinkender Hund, ein im Müll nach Pfandflaschen suchender Rentner … Das Leben steckt voller Geschichten.

scriba: Zu guter Letzt noch die Frage, wie es mit der Zukunft aussieht. Geht die Geschichte um Hapu und Ariko weiter? Oder widmest du dich nun anderen Schreib-Projekten?

Michael Zandt: Ich würde die Geschichte um Hapu und Ariko gerne in einem dritten Band zum Abschluss bringen. Wohin die Reise danach gehen könnte, zeige ich in meiner Kurzgeschichte „Unter dem Nebelmond“, die in der Anthologie „Vampire Cocktail“ zu lesen sein wird. „Vampire Cocktail“ erscheint ebenfalls im Art Skript Phantastik Verlag und wird etwa zur gleichen Zeit wie „Das Schwarze Kollektiv“ auf den Markt kommen.

Die gesamte scriba-Redaktion dankt Michael Zandt herzlich für das interessante Interview! In Kürze könnt ihr hier die Rezension zu seiner Neuerscheinung „Das schwarze Kollektiv“ lesen. 

Wer mehr über den Autor erfahren möchte, folgt bitte diesem Link: http://artscriptphantastik.de/die-autoren/michaelzandt/

 

 

 

 

 

 

 

 

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scriba-Autorin des Monats Juni

Kim Winter mit ihrem neuen Roman Sternensturm

© Claudia Geipel

Sie ist jung, steht erst am Anfang ihrer Schriftstellerkarriere und ihr Name ist vielen Lesern noch kein Begriff: Kim Winter. Somit entspricht unsere Autorin des Monats Juni nicht unbedingt dem bisher in dieser Rubrik vorgestellten Personenkreis.

Kein Problem – schließlich hat Kim Winter bereits mit ihrem Erstlingswerk „Sternenschimmer“ die scriba-Redaktion angenehm überrascht (siehe Rezension). Jetzt ist der zweite Band ihrer beim meist jugendlichen Publikum erfolgreichen Sternentrilogie erschienen. Grund genug, die Autorin  näher vorzustellen …

Sternensturm: Teil 2 der "Sternentrilogie"

Eigentlich ist Kim Winter ausgebildete Sozialarbeiterin; doch heute findet man die Enddreißigerin nicht mehr im Pflegekinderdienst oder Waldkinderkindergarten, sondern meistens mit Musik im Ohr vor der Computertastatur. Die Verbundenheit  zum Wald hat sie sich jedoch nach wie vor bewahrt, schreibt sie doch ihre „Sternenromane“ vornehmlich in einem am Waldrand gelegenen Wiesbadener Cáfe.

Auch wenn die Schriftstellerei erst jetzt zum Beruf geworden ist, war sie schon lange Kim Winters Berufung. So entstanden erste Gedichte und Geschichten mit der Unterstützung ihrer Großmutter bereits im führen Kindesalter. Kim Winters Großmutter war es dann auch, die fest an das Talent ihrer Enkelin glaubte und sie motiviert hat, an einen Verlag heranzutreten. Dabei ist die Jungautorin aber den indirekten Weg über eine Agentur gegangen, da ihr Skript nicht unter tausenden anderen ungelesen bei Verlagen stranden sollte. Die Strategie ist aufgegangen, heute ist Kim Winter feste Autorin des Thienemann Verlags, und das obwohl sie als intuitiver Schreibtyp vorab kein fertiges Konzept für ihre Romane vorlegen kann. Vielmehr machen sich ihre Figuren im Laufe des Schreibprozesses selbständig, was beispielsweise dazu führt, dass der brandneue Band „Sternensturm“ anfangs fast 2000 Seiten umfasste und verschiedene Szenen häufig in unterschiedlichen  Varianten vorlagen. Grundsätzlich ist es der Autorin ein Anliegen, jedem Band der Reihe eine ganz eigene Atmosphäre zu verleihen. So folgt nach dem eher ruhigen Auftakt jetzt der deutlich actionreichere Teil.

Privat gelesen hat die Autorin, deren Werk in der Zukunft spielt und im Bereich Science-Fiction angesiedelt ist, bisher noch nie einen Roman des Genres.  Auch die bekannten Star-Wars-Filme kennt sie erst seit Kurzem. Vielleicht erklärt dies auch ihren frisch-unverbrauchten Umgang mit der Thematik. Momentan schreibt Kim Winter bereits am dritten und letzten Band der Reihe mit dem ehrgeizigen Ziel, dass dieser zum Besten der Trilogie werden solle.

Wir sind gespannt, und werden mit Sicherheit mit unserem Urteil nicht lange auf uns warten lassen!

Wer mehr über unsere Autorin des Monats erfahren möchte, dem sei ihre Facebookseite empfohlen, auf der Kim Winter selbst alles Wissenswerte und alle Neuigkeiten zu ihrer Sternentrilogie veröffentlicht.

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Experiment short story

Das Experiment „short story“ geht in die nächste Runde. Heute haben wir Kapitel 4 der Kurzgeschichte „A strange day“ von Asmodean veröffentlicht. Es erwarten euch noch zwei weitere Kapitel, die zeitnah in unserem Blog erscheinen werden. scriba veröffentlicht zum ersten Mal eine Kurzgeschichte eines jungen, unbekannten Autoren. Wenn auch ihr eure literarischen Versuche bei scriba lesen wollt, dann schreibt uns eine Mail an: info@scriba-ich-schreibe.de

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