Alle Artikel von Julia

Hapu – Teufel im Leib

Hapu-CoverMichael Zandt                                                                             
Taschenbuch:
273 Seiten                                                        
Verlag:
Candela Verlag                                                               
Sprache:
Deutsch                                                               

ISBN: 978-3-942635-19-6                                                                 
Erscheinungstermin:
1. Dezember 2011

Den meisten Urban-Fantasy-Lesern geht es wohl ähnlich: Hält man eine Neuerscheinung mit einer jungen, weiblichen Hauptfigur in Händen, tauchen vorm inneren Auge zwangsläufig Bilder von unwiderstehlichen Vampiren, Mahren, Werwölfen und mittlerweile auch Engeln auf. Nichts anders erwartete ich mir daher bei Michael Zandts neuem Erstlingswerk „Hapu – Teufel im Leib“. Aber weit gefehlt! Schon nach den ersten Seiten ist klar, das Buch geht in eine ganz andere Richtung – dies macht nicht nur neugierig, sondern erweist sich als große Stärke der Publikation. Analogien zu anderen Romanen des Genres gibt es nämlich schlichtweg nicht.

Mit seinen Asartu hat der Autor detailreich eine neue Spezies kreiert, die aber in unserer heutigen menschlichen Gesellschaft integriert, ja sogar vollkommen von ihr abhängig ist: Denn, ob ein Asartu will oder nicht, benötigt er in unterschiedlichen Abständen Menschenfleisch, und zwar lebendiges.

So auch Hapu, aus deren Sicht die Geschehnisse geschildert werden. Trotz der Ich-Perspektive bleibt der Leser über lange Strecken des Romans gegenüber der Motorrad fahrenden, attraktiven Hapu distanziert. Denn ihr Verhalten irritiert und verhindert eine Identifikation. Dies vermögen auch keine Einblicke in ihre Gefühlswelt noch das Wissen um ihre Motive ändern: Hapu gebärdet sich, mit Ausnahme ihrer menschlichen Freundin Hati gegenüber, gewalttätig, unberechenbar, egoistisch und skrupellos. Aber dem nicht genug, die Wirren der Geschehnisse machen Hapu zwangsläufig sogar zur Mörderin. Denn aus ihrem Kleinstadtleben gerissen, findet sie sich plötzlich in den Intrigen und Machtkämpfen der obersten Asartu als Assistentin und Beschützerin der neu ernannten Führerin der weißen Asartu wieder. Doch die Ereignisse überschlagen sich weiter und während Hapus Schützling stirbt, wird auch sie selbst Opfer der Ränkespiele. So endet der erste Teil des Buches für Hapu in einer Katastrophe: Der deutschen Staatsbürgerschaft entzogen, blickt sie einer unsicheren Zukunft im Asartu-Staat Kemet entgegen – nicht jedoch ohne dem ungeheueren Wissen, dass sie die Inkarnation einer der mächtigen Sepuku, einer Tochter des Leibhaftigen, ist.

Aber nicht nur für Hapu ändert sich fortan einiges, sondern auch für den Leser. Denn der zweite Teil ist der weitaus bessere: Die Geschichte gewinnt an Fahrt, was mit den zeitweise zu ausführlichen Textpassagen des Auftakts versöhnt. Hapus Kampf ums Überleben, ihre Ausbildung beim Militär und schließlich die gefährliche Suche nach dem Geheimnis ihrer Herkunft bilden den nun spannungsreichen Erzählbogen hinzu einem äußerst überraschenden Ende.

Dass der Leser dabei trotz mancher verstörender Szenen (z.B. wenn Hapu Liebhaberin eines krebskranken, heruntergekommenen Greises wird und dessen Verfall fasziniert beobachtet bzw. als die Betäubung eines Menschenopfers versagt, das Hapu bei lebendigem Leibe verspeist) der Geschichte nicht abtrünnig wird, liegt auch an Michaels Zandts gelenkem, frischen Schreibstil. Teilweise würzt der Autor seinen Roman auch mit einer gehörigen Prise Ironie, was zu obskuren Situationen führt, wenn Hapu beispielsweise in ihrer Rolle als Assistentin der Janade wichtige Minister trifft und Reden verfasst, aber gleichzeitig das Cover des Playboys gehüllt in einer Deutschlandfahne ziert.

Grundsätzlich wird jedoch nicht nur anhand solcher Episoden deutlich, dass das Buch aus der Feder eines Mannes stammt. Das dargestellte Frauenbild entspricht wenig der Realität:  Sexbomben wie Hapu, die jedem Stelldichein offen gegenüber sind und gleichzeitig im Kampf gefährliche Gegnerinnen sind, stehen schablonenhaft  körperlich völlig unattraktiven, plump-übergewichtigen Frauen wie Hati gegenüber.

Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass Zandts Debüt oberflächlich ist. Vielmehr will der Autor mit Hapus charakterlichen Abgründen Gesellschaftskritik üben. Im Gegensatz zur verlogenen Masse sei die Hauptfigur schlichtweg ehrlich und habe es nicht nötig sich unter einer „Maske aus lächelnder Güte und wohlstandmilder Konsensrhetorik“ zu verbergen.
Ob Hapus fehlende Empathie und ihre Gewaltausbrüche im Zweifelsfall dem vorzuziehen sind, soll dahin gestellt bleiben. Den Leser des Buches jedenfalls – das ist gewiss – erwartet ein Leseerlebnis fernab vom Mainstream, das er so schnell nicht vergessen wird.

Ein herzliches Dankeschön dem Autor Michael Zandt, der uns ein kostenloses Rezensionsexemplar zukommen ließ.

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scriba-Autor des Monats Februar

Stefan Zweig – eine Hommage zum 70. Todestag

Drei charakteristische Wesenszüge sind es, mit denen sich das Leben und Schaffen unseres Autors des Monats kurz und knapp beschreiben lassen: So ist der 1881 in Wien geborene Stefan Zweig erstens leidenschaftlicher Kosmopolit, zweitens überzeugter Pazifist und vor allen Dingen subtiler Seelenkenner.

Besonders die feinfühlige Auseinandersetzung mit der menschlichen Psyche und sein Weltbürgertum zeichnen seine Novellen aus. Deutlich geprägt vom Einfluss Sigmund Freuds und der Wiener Schule (allen voran von Arthur Schnitzler) sind seine Hauptfiguren fast immer einem dämonischen Zwang unterworfen, der sie aus der hergebrachten Ordnung ihres Lebens reißt. Tragik, Melancholie und Resignation gepaart mit prächtigem, schnörkelhaftem Wortspiel, das ist Stefan Zweigs unverkennbarer Schreibstil, der ihn in den 20er Jahren zum meistübersetzten und international erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit macht.

Bald nach seinen ersten Veröffentlichungen, die in die Zeit seines Studienbeginns um die Jahrhundertwende fallen, gilt er als etablierter Schriftsteller. Seine finanzielle Unabhängigkeit  – er ist Sohn eines erfolgreichen Textilindustriellen – nutzt er, um weite Reisen durch Europa, nach Afrika und Amerika zu unternehmen und Kontakte zu anderen Autoren aufzubauen. Ab da fühlt er sich als Weltbürger.

Sein freiwilliger Einsatz im 1. Weltkrieg erschüttert den erst von der Massenbegeisterung mitgerissenen Zweig zutiefst und macht ihn zum unerschütterlichen Pazifisten. Durch die intensive Freundschaft zu Romain Rolland bestärkt, wird er ein bedeutender Friedensaktivist und will seine Popularität nutzen, um für die Verständigung zwischen den europäischen Ländern einzustehen und seine individuelle, parteilose Meinung in Zeitungen zu veröffentlichen.

Dass er nicht direkt politisch Stellung nimmt, wird ihm später oftmals vorgeworfen. Zweig ist jedoch Zeit seines Lebens überzeugt, ein Schriftsteller dürfe nicht einseitig politisch Stellung beziehen. Die Macht des Nationalsozialismus unterschätzt der ab 1919 verheiratete Schriftsteller jüdischer Herkunft enorm. Bis zu seiner Emigration 1934, die ihn über London und New York nach Brasilien führt, lebt er mit seiner Frau in Salzburg. Seine Flucht aus Österreich bedeutet gleichzeitig die Trennung der Eheleute. Ins Exil begleitet ihn seine Sekretärin und spätere zweite Ehefrau. Dort arbeitet er weiter unaufhörlich an seinem Werk – u.a. verfasst er die Schachnovelle – während in der Heimat seine Bücher beschlagnahmt werden und die Nationalsozialisten ein Verkaufsverbot aussprechen.

Wie sehr Zweig unter Heimat- und Sprachverlust leidet und schließlich daran zugrunde geht, davon zeugen etliche Briefe jener Jahre. Der Qual des Ausgestoßenseins aus seinem persönlichen Leben und dem Zerbrechen seiner europäischen Heimat folgt eine tiefe Depression.

Am 23. Februar 1942 nimmt sich Stefan Zweig zusammen mit seiner Frau mit einer Überdosis Veronal das Leben, denn, wie er schreibt bedürfte es „nach dem 60. Jahre […] besonderer Kräfte, um noch einmal völlig neu zu beginnen. Und die meinen sind durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft. […] Ich grüße alle meine Freunde! Mögen Sie die Morgenröte noch sehen, nach der langen Nacht! Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus.“

Hinterlassen hat der Vielschreiber uns ein immenses Werk, das verzaubert und es zu entdecken lohnt!

Hier gibts Nähere Infos zu Autor und Werk:
http://www.casastefanzweig.org/index_SZ.php
http://www.stefanzweig.de/Indexhome.htm

Der Liebessalat

Der Liebessalat

Joseph von Westphalen
Taschenbuch: 480
Verlag: btb
Erscheinungstermin: 22. Mai 2002
ISBN-10: 3894807573

Der Beginn des Buches ist so gut geschrieben, dass man neugierig weiterliest und sich bemüht die vielen Frauennamen und Beziehungen in chronologischer Reihenfolge unterzubringen. Voller Staunen erfährt man von der Vitalität des älteren Herren namens Viktor Goldmann, und bewundert ihn ob seiner geistigen Höchstleistungen, alle seine Liebschaften in geordneten Bahnen zu halten. Der Autor hat wirklich eine sehr kultivierte, intelligente und feine Schreibweise. Der Text sprüht vor Witz und Metaphern. Das ist es, was über Seiten hinweg verzückt.

Aber sein Protagonist ist ein hoffnungsloser Egomane, ein Narzist, ein dauerpotenter Frauenverehrer. Er schiebt seine Auserwählten, je nach Favoritin, wie auf einem Schachbrett hin und her. Man fragt sich unwillkürlich, ob in diesem Jägerhirn außer Samensträngen noch Platz für Gehirnmasse bleibt!

Die vielen, vielen folgenden Seiten ziehen sich endlos. Man wartet voller Hoffnung, dass endlich eine Wendung einträte, etwas Neues geschehen würde. Dass der gute Mann ausgelaugt und erschöpft auf andere Gedanken käme. Aber leider erfüllt sich diese Hoffnung nicht …

Daher möchte man ihn schlussendlich mit seiner Tscherkessin in die Mongolei in eine Jurte schicken, wo er mit ihr Büffelmilch trinkt und glücklich ist bis an das Ende seiner Tage. Dann könnte man erlöst aufatmen!

Empfehlenswert für Leser mit Freude an wortgewandter Schreibkunst, aber etwas ungeeignet für Ungeduldige, welche nach über zweihundert Buchseiten noch lange kein Licht am Horizont erkennen können!

Gastrezension von Ilona

Hier geht’s zur Leseprobe: http://www.randomhouse.de/ebook/Der-Liebessalat-Roman/Joseph-von-Westphalen/e118131.rhd?mid=4&serviceAvailable=false&showpdf=false#tabbox

 

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scriba-Autor des Monats Januar

Robert Jordan mit seinem Fantasy-Epos „Das Rad der Zeit“

Robert JordanDer High-Fantasy-Roman ist bis heute fest mit dem Namen Tolkin verbunden. Schließlich hat der Autor, dessen Geburtstag sich dieser Tage zum 120. Mal jährt, mit „Herr der Ringe“ nicht nur ein facettenreiches Meisterwerk vorgelegt, sondern gleichzeitig ein neues Genre begründet. Leser jedoch, die sich für Fantasy-Zyklen begeistern, verbinden heute gleichermaßen einen anderen Autorennamen mit phantastischer Literatur: Robert Jordan – und das  nicht zu unrecht.

Denn Jordans Zyklus „Das Rad der Zeit“, der mittlerweile 13 Bände und über 9000 Buch-Seiten umfasst und Millionen Fans weltweit zählt, besitzt u.a. völlig neue Fantasy-Elemente.
Den Entschluss Schriftsteller zu werden, fasste der 1948 geborene Robert Jordan, der eigentlich Phsyiker war, während eines Krankenhausaufenthalts, der ihm die Lektüre vieler Bücher ermöglichte. Jordan war überzeugt, mindestens ebenso gut schreiben zu können wie andere Autoren. Aus zwei Gründen entschied er sich, sein Autorendebüt im Fantasy-Bereich anzusiedeln: „Zum ersten: Du kannst über gut und böse, richtig und falsch nachdenken, und niemand wird dir erzählen du seiest rechthaberisch. Das zweite ist: In der Fantasy-Literatur gibt es immer den Glauben, dass, wie groß die Hindernisse auch sein mögen, du in der Lage bist, sie zu überwinden, dass der nächste Tag ein besserer sein kann. Und nicht nur, dass er besser sein kann, sondern es auch sein wird, wenn du dich nur bemühst.“

Das Rad der Zeit10-12 Stunden täglich arbeitete Jordan seit Ende der 80er Jahre bis zu seinem Tod 2007 und schuf damit ein unvergleichliches episches Werk. Bevor Robert Jordan jedoch verstarb, hat er die wichtigsten Details seines Rad-der-Zeit-Zyklus’ an seine Familie weitergegeben, sodass die Reihe vollendet werden könne.

2012 erfogt nun mit dem 14. Band „A memory of Light” (von Brandon Sanderson verfasst nach Jordans Notizen und Freigabe durch seine Frau) die Veröffentlichung des letzten Bandes der Fanatasy-Saga, auf die viele Leser sehnsüchtig und sicherlich auch mit ein wenig Wehmut warten. Wie „Das Rad der Zeit“ nun seinen Abschluss findet, lesen Sie noch vor Erscheinen der deutschen Übersetzung bei Scriba.

Nähere Informationen zum Autor und sein Werk gibt es unter: http://www.radderzeit.de/main/home.php

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scriba-Autorin des Monats Dezember:

Charlotte Brontë – anlässlich des Kinostarts ihres Romanklassikers „Jane Eyre“

Chralotte bronte mit jane eyre neuverfilmungAls im Herbst 1847 der Roman „Jane Eyre“ eines bisher gänzlich unbekannten Autors erscheint und zum von Kritik und Publikum gefeierten Kassenschlager wird, gibt es in der Londoner Literaturszene nur die eine Frage: „Wer ist dieser Currer Bell?“

Als das Geheimnis um das männliche Pseudonym schließlich gelüftet wurde – nämlich dass das Werk aus der Feder einer Frau stammt -, sah sich die Autorin rasch mit Vorwürfen der Anstößigkeit konfrontiert.

Diese Vorbehalte änderten nichts an der Erfolgsgeschichte des Romans, im Gegenteil: Charlotte Brontës „Jane Eyre“ bleibt bis heute ein weltweit gefeierter Dauerbrenner.  –  Dieser Tage startet in den deutschen Kinos bereits die 19. Verfilmung des Klassikers. Eine ideale Gelegenheit, finden wir, an eine ganz große Autorin zu erinnern:

Dabei beginnt alles mit einem Spiel. Ihr Talent zeigt sich nämlich, als der Bruder 1826 vom Vater ein paar Holzsoldaten bekommt. Charlotte und ihre zwei Schwestern erfinden für die Figuren erst eigene Persönlichkeiten, später auf Papier ein ganzes Königreich – Angria – und schließlich sogar eine eigene Zeitung. Noch als 19-Jährige Lehrerin schreibt sie über die Fantasie-Welt bis sich schließlich die Frustration und die Unzufriedenheit über die Rahmenbedingungen ihres Lehrerberufs steigern. Auch in einer späteren Arbeitsstelle als Gouvernante fühlt sie sich gelangweilt und unglücklich. Dabei hat Charlotte die Pläne für die Zukunft bereits geschmiedet: Sie will eine eigene Mädchenschule gründen. Denn sie hat nicht vor, wie sie in ihrem Tagebuch vermerkt, „den besten Teil [ihres Lebens] in dieser erbärmlichen Knechtschaft zu verbringen.“

Mit einem Aufenthalt in einem Brüssler Pensionat will sich Charlotte das notwenige Wissen aneignen. Die unerfüllte Liebe zum dortigen Direktor führt jedoch zum vorzeitigen Abbruch der Auslandsstudien. Zurück in der Heimat scheitert auch ihr Schulprojekt.

Wie sehr diese Erfahrungen Charlotte geprägt haben, spiegelt sich in ihren Romanen wider, die sie nun zu schreiben beginnt. Sowohl ihre Erlebnisse als Gouvernante und Lehrerin, als auch ihre unglückliche Liebe verarbeitet sie in ihren Werken. In ihrem kurzen Leben – die schwangere Charlotte Brontë stirbt 40-jährig – hat sie mit Jane Eyre (1847), Shirley (1849), Villette (1853), und Der Professor (1857) ein beachtliches literarisches Erbe hinterlassen, das den Leser bis heute beigeistert.

Heute kommt die Neuverfilmung von „Jane Eyre“ von  Regisseur Cary Fukunaga in die Kinos, der mit „Sin Nombre“ 2009 bereits international erfolgreich war. In den Hauptrollen sind Mia Wasikowska, Michael Fassbender  zu sehen. Und das Beste: Der Film orientiert sich – anders als viele Vorgänger – sehr nah am literarischen Vorbild! Hier der Trailer:

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Die Klavierspielerin – Ein Buch, meilenweit entfernt vom gängigen „Das müssen Sie lesen“

Elfriede Jelinek
Taschenbuch:
283 Seiten
Originalausgabe:
Rowohlt (1983)
Sprache:
Deutsch
ISBN-10:
3-499-15812-4

Darf der „normale Leser“ sich trauen das Buch einer Nobelpreisträgerin zu rezensieren?
Ja, denn man kann und sollte zu allem eine eigene Meinung haben, und es wäre falsch sich in einer medial bevormundeten Welt keine eigenen Gedanken zu machen.

Das Buch ist düster, sehr düster. Anfangs erweckt es Interesse, die Sätze sind kurz gehalten, das ist angenehm, die Wortgebilde sind ästhetisch schön, lassen staunen und wieder versucht man sich am Inhalt des Buches. Man ergreift Partei für die Protagonistin, durchlebt und durchleidet mit ihr den minutiös eingeteilten Tagesablauf, in dem kein Platz für Kindsein bleibt, was sich bis zur Selbstverletzung steigert. Auch dieser Versuch des Kindes, Gefühle zu verspüren, scheitert. Im Fokus steht jene unsägliche Mutter-Tochter-Beziehung, die sich aus dem unstillbaren Ehrgeiz der Mutter speist.

Für ihre Tochter „nur das Beste wollend“, versperrt sie dem Kind eine normale Entwicklung, ein neugieriger Teenager zu sein und ein Erleben von Sexualität. Trotz aller Entsagungen und allem Fleiß erreicht die junge Frau keinen pianistischen Weltruhm, bringt sich widerwillig als Lehrerin, Professorin für mäßig begabte Kinder von wiederum ehrgeizgeplagten Eltern durch.
Sie lebt immer noch gemeinsam mit ihrer Mutter, schläft mit ihr im Ehebett und wird permanent von ihr überwacht. Die leidenschaftliche Verehrung eines Musikschülers wühlt Emotionen in ihr auf, aber sie ist unfähig die Sexualität auszuleben. Alles steuert auf eine Katastrophe zu, der unverstandene Liebhaber gerät in Rage und das Verhältnis verdreht sich in Gewalt. Am Schluß endet alles in einem Desaster.

Ein nicht leicht lesbares Buch, obwohl in wunderschöne Worte gekleidet und man kommt unweigerlich zu dem Schluß, Eltern sollten ihre Kinder in ihren Anlagen unterstützen, aber nicht aus elterlichem Geltungsdrang, sondern weil Kinder es unbedingt wollen.
Es ist ein Lehrbeispiel für alle Eltern, die ihre Kinder zwangsweise nach ihren Normen formen und dabei das eigene Glück des Kindes außer Acht lassen. Es braucht ungeheuere Anstrengung von Seiten des Kindes, dieses Trauma abzulegen, wenn es überhaupt gelingt.

Ein Buch, das von der wunderschönen, ungeschnörkelten und für mich heimeligen Sprache lebt, das die meisten hochgeputschten Bestsellertitel in ihre Schranken weist und bei seinem Leser bleibenden Eindruck hinterläßt.

Ein Buch, meilenweit entfernt vom gängigen „Das müssen Sie lesen“, wohlabgehoben und für die Autorin selber sicher keine leichte Kost. Sehr lesenswert!!

Eine Gastrezension von Ilona

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Rating: 5.0/5 (2 votes cast)

Blutbraut

Lynn Raven                                                                                 Taschenbuch: 736 Seiten                                                         Verlag: cbt Fantasy                                                                     Sprache: Deutsch                                                                ISBN: 3570160701                                                                      Erscheinungstermin: 31. Oktober 2011

Mehr als ein Jahr ist es her, dass Lynn Raven mit dem Kuss des Kjer ihren letzten Roman vorgelegt hat. Für die Verhältnisse der Autorin eine ungewöhnlich lange Zeit. Nun ist ihr neues Buch erschienen: „Blutbraut“, ganze 736 Seiten stark, kunstvoll gestaltet mit einem düsteren Cover, welches zusammen mit dem Titel auf den ersten Blick verrät: Lynn Raven bleibt sich treu. Im Mittelpunkt der Geschichte, die im Urban-Fantasy-Bereich spielt, steht wieder eine weibliche Protagonistin, Lucinda, deren männlicher Gegenpart, dieses Mal ein mächtiger Hexer, einer dunklen Welt entstammt.

Ausgangspunkt der Handlung ist: Allein Lucindas Blut kann verhindern, dass sich Joaquin de Alvaro in einen grausamen, blutrünstigen Nosferatu verwandelt. Daher gibt es für sie, die seit dem gewaltsamen Tod ihrer Tante an einem Trauma leidet, nur ein Ziel: Flucht, der Verkörperung alles Bösen entkommen.

Mit einer Verfolgungsszene durch die Handlanger des Hexers setzt der Roman auch ein. Der Leser wird förmlich überrumpelt, stolpert in das Geschehen, hastet Lucinda durch Bosten auf ihrer Flucht hinterher, atemlos. Ja, beinahe orientierungslos. Manche Zeilen wird er womöglich sogar öfters lesen, um einen Anhaltspunkt zu ergattern, der offenbart, was sich hier genau vor seinen Augen abspielt.

Lynn Raven ist nicht bekannt dafür, ihre Geschichten langsam und zuweilen auch langatmig aufzubauen; Die Handlung beginnt immer auf der ersten Seite. Ein derart rasanter, mitreißender Plot ist ihr bisher jedoch noch nicht gelungen. Mit einer Mischung aus Gefahr, Action, Emotion und Gänsehaut-Stimmung hält sie den Leser von Beginn an gefangen, und lässt ihn erschaudern, als Lucinda schließlich überrumpelt und gefangen ihre Ängste grausame Realität werden sieht, wenn Joaquin feststellt: „Sie hätte dich niemals finden sollen, mi corazón,“.

Aber der Schein trügt; mehr und mehr ist alles verworren und die Seiten sind verdreht. Dass Joaquin nicht Lucindas größte Bedrohung darstellt – im Gegenteil – und die Zusammenhänge anders sind als man sie stets glauben ließ, wird immer offensichtlicher und lässt das Weltbild der Protagonistin wanken. Die Frage ist, wem kann sie nun vertrauen, um aus ihrer Falle zu entkommen, wenn nichts so ist, wie es immer war. Demjenigen, vor dem sie sich am meisten fürchtet?

Um die fein konstruierte „Unterwelt“, dem Konsortium der Hermandad,  mit der nötigen bedrohlichen Fassade auszustatten, bedient sich Lynn Raven Mafia-Elementen á la „Der Pate“, anstatt auf bekannte Vampir-Klischees zurückzugreifen. Darüber hinaus besitzen die Blutsauger hier auch magische Kräfte, und werden früher oder später anders als in Mainstream-Vampir-Geschichten zu gefürchteten Nosferatu, was es durch die Vereinigung mit einer Blutbraut zu verhindern gilt.

Mit Tiefe ausgestattet hat Lynn Raven zudem ihre Charaktere – und das nicht nur die Hauptfiguren. Sämtliche Personen werden facettenreich ausstaffiert mit eignen Wesenszügen, Eigenheiten sowie guten und schlechten Angewohnheiten. Dies hat zur Folge, dass auch Nebenfiguren wie Rafael äußerst authentisch und individuell für sich stehen. Unterstrichen wird der individuelle Charakter Joaquins beispielsweise durch die Verwendung von spanischen Ausdrücken, was dem Verständnis jedoch keinen Abbruch tut.

Abbruch tun dem Lesevergnügen hingegen deutliche Längen in der Mitte des Buches. Zwar dienen die leiseren und zuweilen zarteren Töne an dieser Stelle, die komplexe und verfahrene Situation zwischen Joaquin, dem Sympathieträger des Romans, und Lucinda foranzutreiben und weiterzuentwicklen (Szenen, die mitunter zum Schmunzeln verleiten). Schließlich ist die Konfrontation Lucindas mit dem scheinbaren Feind, die allmähliche Annäherung der beiden, der Kern des Geschichte. Dennoch sollte ein guter Lektor zum Rotstift greifen, damit die Story nicht allzu sehr an Tempo verliert.

Unnötig eingegriffen, um auf Biegen und Brechen die passende Zielgruppe anzusprechen, hat das Lektorat vermutlich hingegen beim Alter der weiblichen Hauptfigur. Nahezu lächerlich wirkt es, dass Lucinda erst 17 Jahre alt sein soll, aber seit Jahren mutterseelenallein durch die USA von einem Job zum nächsten zieht und jegliche Hürden problemlos meistert. Hier hätte man ruhig darauf vertrauen können, dass eine Geschichte von ihrer Qualität lebt und nicht nur durch ihre falsche Einordnung als vermeintlicher Teenie-Roman.

Abgesehen von diesen kleinen Schwächen knüpft die Blutbraut die letzten 200 Seiten wieder an ihre anfängliche Stärke an. Die spannenden und emotionsreichen Schluss-Szenen versöhnen und lassen eine Fortsetzung erwarten. Dies ist besonders erwähnenswert, da es üblicherweise gerade das Ende bei Lynn-Raven-Roman ist, das weniger begeistert. Letztlich zeugt dies von einer Weiterentwicklung der Autorin, die mit ihrem neuesten Buch einmal mehr beweist, dass sie zu den großen Namen der romatischen Fantasy-Litertur gehört. Vielleicht die herausragendste Neuerscheinung im Phantastik-Lese-Herbst 2011!

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Cheng: Sein erster Fall

Heinrich Steinfest
Taschenbuch: 272 Seiten
Verlag: Piper  2007
Sprache: Deutsch
ISBN-10:3492248747
Erstausgabe: 1999 bei Bastei Lübbe

 

Ich bin durch Zufall auf Steinfest-Bücher gestoßen. Mit jeder gelesenen Seite war ich mehr gefangen. Ich fand es als befreiend und als eine gewisse Genugtuung, in eine Welt einzutauchen, in der uns allen, aber im Besonderen der selbstherrlichen und auf Standesdünkel bestehenden Gesellschaft, in Form von Satire der Spiegel vorgehalten wird. Eine Milieuanalyse messerscharf geschnitten und beobachtet.

Dies geschieht in einer Wortakrobatik, einem regelrechten Sezieren, einer Wahrheit bis zur Komik, bis zu einem Entblößen der Figuren von einem Wortartisten, von einem, der uns das Gefühl gibt, schon hundert Jahre gelebt zu haben um so viel Stoff zu (er)finden.

Ein Buch, das vor Komik strotzt und einem zum Lachen zwingt. Ein Buch, in welchem wir verschont werden von autobiographischen Ergüssen, von Werdegängen, die niemanden interessieren, aber die uns trotzdem in einer Aufdringlichkeit unerwünschter Fernseh-Werbung um die Ohren gehauen werden.Wir dürfen uns zurücklehnen, amüsiert lachen und uns darüber freuen, daß endlich einer Tacheles redet, sicher wissend um den damit bereitenden Unmut.

Dies sind mit Sicherheit keine klassischen Krimis, welche zum überwiegenden Teil zum Erbrechen schlecht geschrieben sind und nur durch massive Werbung Spitzenplätze erreichen. Auf Steinfest auszuweichen ist garantiert nicht nur schönster Zeitvertreib, sondern ein Eintauchen in eine Parallelwelt der besonderen Unterhaltung. Eine unbedingt empfehlenswerte Satire, ein rabenschwarzer Roman!

Eine Gastrezension von Ilona

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lynnraven

scriba-Autorin des Monats November:

LYNN RAVEN mit ihrem neuen Roman „Blutbraut“

Vita: Aufgewachsen im US-amerikanischen Bundesstaat Main sammelte die deutsch-amerikanische Autorin nach ihrem Universitätsabschluss als Master of Arts zunächst erste Berufserfahrungen bei einer kleinen Zeitung. Nachdem ihr Job Budgetkürzungen zum Opfer fiel, wagte sie den Sprung über den großen Teich nach Deutschland. In der Nähe von Mainz arbeitete sie danach knapp 10 Jahre freiberuflich als Journalistin, Übersetzerin und Lektorin. Inzwischen ist Lynn Raven samt Hund und Katze wieder in die USA zurückgehrt und hat ihren Arbeitsschwerpunkt massiv auf die Schriftstellerei verlagert, ganz nach ihrem Lebensmotto: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum.“ Dass dieser Traum längst Wirklichkeit geworden ist, zeigt sich darin, dass Lynn Ravens alias Alex Morrins Veröffentlichungen in den Jugend-Fantasy-Regalen der deutschen Buchhändler mittlerweile zu einer festen Größe geworden sind und sie seit ihrem 2008 erschienenem Debütroman „Der Kuss des Dämons“ eine große Fangemeinde aus dem Dark- und Urban-Fantasy-Bereich besitzt. Mit ihrem brandneuen Titel „Blutbraut“ legt Lynn Raven bereits ihren siebten Roman vor. Und ihre Leser dürfen weiterhin gespannt sein, denn im kommenden Frühjahr folgt das nächste Phantastik-Projekt – dieses Mal der erste „erwachsene“ Lynn Raven.

Lynn Raven privat: Lynn Ravens Lieblingbeschäftigung ist – wenn wundert’s – das Lesen. Und zwar vorzugsweise phantastische Literatur von Stephen King und Lynn Flewelling. Ansonsten döst die Autorin gerne mit ihrem Hund in der Sonne und redet mit Freunden über Gott-und-die-Welt. Was sie gar nicht leiden kann ist Ignoranz und Rücksichtslosigkeit. Selbst beschreibt sie sich als Pessimistin aus Leidenschaft, die das Beste hofft, aber mit dem Schlimmsten rechnet. Gerade deshalb war es für Lynn Raven eine Riesenüberraschung, dass sie direkt für ihr erstes Projekt einen Verlag gefunden hat. Auf die Frage, welche ihrer Romanhelden ihr am meisten ans Herz gewachsen sind, antwortet sie ganz klar mit Mordan, Joaquin und Rafael. Letzterer ganz besonders, denn Rafael ist die Figur aus ihrer Feder, die sie gerne einmal selbst treffen würde.

Für diejenigen, die noch mehr über unsere Autorin des Monats wissen möchten, haben wir interessante Links angehängt:
http://www.lynn-raven.de/
http://www.jugendbuch-couch.de/mit-lynn-raven.html
http://www.fantasy-news.com/2010/02/20/interview-mit-lynn-raven-alex-morrin/
 

Bibliographie:

  • Der Kuss des Dämons (Dark Fantasy), Verlag: Ueberreuter, Jan 2008
  • Werwolf (Dark Fantasy), Verlag: Ueberreuter, Juli 2008
  • Das Herz des Dämons (Dark Fantasy), Verlag: Ueberreuter, März 2009
  • Der Spiegel von Feuer und Eis (High Fantasy – als Alex Morrin), Verlag: cbt,  Mai 2009
  • Das Blut des Dämons (Dark Fantasy), Ueberreuter, März 2010
  • Der Kuss des Kjer (High Fantasy), Verlag: cbt, 8. Juni 2010
  • Blutbraut (Dark Fantasy), Verlag: cbt, 31. Oktober 2011
  • Hexenfluch (Dark Fantasy), Verlag: Knaur, März 2012

ctb bietet außerdem Bonusmaterial und eine Leseprobe zur Blutbraut an.

Hier gehts zu unserer Blutbraut-Rezension.                                                                               Lest außerdem unsere aktuelle Rezension zu Lynn Ravens Roman „Der Kuss des Dämons“